ohne große Rede - es geht weiter
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„Ihre Wunden sind schon verheilt. Nur noch frische rosa Hautstellen zeugen von ihren Verletzungen!“, berichtete Gabriel als er aus Eve’s Zimmer kam und zu den anderen kam. „Wird aber auch Zeit. Wir warten schließlich schon zwei Tage darauf, dass die beiden wieder zu Kräften kommen.“, motzte Daniel und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Lazarus hat viel Blut verloren, er braucht die Regenerationszeit genauso wie Eve.“, bemerkte Lenia und heimste einen fragenden Blick von Daniel ein.
„Ach, jetzt ist es also schon Lazarus. Für mich wird er der Magier bleiben!“, protestierte er und wandte sich von Lenia ab.
„Sei nicht so kindisch!“, mischte sich Gabriel ein. „Lazarus geht es wieder gut, ich war gerade bei ihm. Eve schläft gerade noch, aber ihr dürfte es soweit auch wieder gut gehen“, überlegte er laut.
„Erstaunlich was so Vampire alles aushalten…“, brabbelte die Werleopardin vor sich hin und erntete gleich den nächsten skeptischen Blick von Daniel. „Was? Was hab ich jetzt schon wieder gesagt?“, wollte sie wissen.
„Naja, um genau zu sein hat sie es nicht ausgehalten. Wir mussten ihr erst das Leben retten indem wir ihr Blut gegeben haben“, erwiderte Daniel. „Außerdem können wir Gestaltwandler bestimmt genauso viel einstecken!“
„Stellt euch mal vor, sie wäre gestorben.“, warf Gabriel ein. „Wer wäre dann unser neuer Meister?“
„Das wäre dann vermutlich ich!“, warf Daniel ein. „Die Reihenfolge ist logisch. Der Kerl, der Eve getötet hätte, wäre der neue Nimir-Raj geworden, aber da ich ihn getötet habe, wäre dann wohl ich Anführer des Rudels geworden.“, grinste er breit.
„Klar, Daniel der Nimir-Raj…“, spottete Lenia. Offensichtlich wollte sie es sich heute mit Daniel verscherzen.
„Du solltest lieber deinen Mund halten. Wenn ich erst Nimir-Raj bin, hast du nichts mehr zu lachen!“
„Daniel, wie redest du denn? Das ist nicht lustig.“
„Das meine ich auch nicht lustig. Ich hätte die Gelegenheit nutzen können und Eve von ihren Leiden befreien, denn wer nicht auf sich selbst aufpassen kann, der kann uns erst recht nicht beschützen!“, gab er zu bedenken.
„Sag sowas nicht. Die Vampirlady ist eine bessere Anführerin als alle bisherigen. Sie knechtet uns wenigstens nicht. Sie schlägt uns nicht, sie befiehlt uns nicht, sie ängstigt uns nicht, sie quält uns nicht!“, fauchte Gabriel wobei sein halbes Leopardengebiss zum Vorschein kam.
„Wartet nur ab, jeder war freundlich am Anfang, bis sie merkten, dass man mit uns alles tun kann. Warum sind wir auch so dumm und hören auf einen einzigen Anführer? Wieso folgen wir ihnen, wieso gehorchen wir ihnen?“, wollte Daniel wissen und starrte gespannt zu den anderen.
Die zwei angesprochenen Gestaltwandler tauschten kurze Blicke und antworteten. „Na, weil sie uns sonst töten, du Idiot! Wir haben gar keine andere Wahl! Außerdem sind wir ohne Anführer aufgeschmissen.“
„Ja klar… wir sind doch keine hilflosen Babies. Wir brauchen doch keinen Anführer und schon gar keine Nimir-Ra wie Eve.“
Gabriel schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte nicht glauben, welche Worte über die Lippen seines Freundes, seines Bruder kamen.
„Du bist so dumm, Daniel, so dumm. Überleg doch mal. Sie ist ein Vampir, ein Blutsauger. Sie wird ewig leben, wenn wir ihr dabei helfen. Mit jedem Jahr wird sie stärker und stärker. Sie ist jetzt schon unglaublich mächtig, aber gegen eine Horde Ghuls hätte selbst der Stärkste keine Chance.
„Ach nein? Und wie konnten wir dann die Ghule in Stücke reißen? Wie konnten wir gegen sie bestehen?“
„Du hast dir deine Frage bereits beantwortet, WIR waren es und nicht DU. Wir waren eine Gruppe. Außerdem musst du zugeben, dass wir unverschämtes Glück hatten.“
„Ich möchte nicht weiter darüber sprechen“, wehrte Daniel ab und drehte sich von den anderen wieder weg nur um sich im selben Moment wieder um die eigene Achse zu drehen, als sich die Zimmertür von Eve öffnete.
Gesund sah anders aus, aber was erwartet man von einem Vampir? Die Bezeichnung lebender Toter ist abgesehen von den Zombies vermutlich die zutreffenste Beschreibung, die man wählen konnte. Die Werleoparden erschraken nicht, als sie die zusammengefallene Haut, die hervorstechenden Wangenknochen und die intensiven Augen von Eve erblickten. Ihre Reißzähne stachen hervor wie ein schwarzer Fleck auf weißem Grund. Was hatten sie denn erwartet? Eine Kirschblüte? Vampire sahen alle so aus als würden sie jeden Augenblick tot umfallen. Tot eben. Vampire sahen tot aus. Das Einzige was die verdammten Blutsauger gut aussehen lässt ist eine frische Portion Blut und ihre verdammte Kunst den Verstand Anderer zu vernebeln. Die Antwort auf alle ungelösten Fragen – Verstand vernebeln! Wie schaffte Eve es im einen Moment an der Tür zu stehen und einen Wimpernschlag später direkt vor ihrem Gegner zu stehen? Verstand vernebeln. Sie lässt den Gegner nur sehen was er sehen soll, was sie erlaubt ihm zu sehen. Sobald sie die Position gewechselt hat und das Opfer nicht mehr reagieren kann, wird die Vernebelung gelöst und… Überraschung, der Vampir steht vor einem und rammt seine Beißer in den Hals.
Lenia, Daniel und Gabriel zögerten einen winzigen Augenblick der Ungläubigkeit, ehe sie aufsprangen und sich auf je einem Knie vor ihre Meisterin knieten.
„Wieso seid ihr alle nackt?“, wollte Eve wissen während sie ihre Werleoparden musterte.
„Wir waren jagen.“, antwortete Gabriel für die Gruppe ohne vom Boden aufzusehen.
„Na klasse. Was habt ihr erbeutet?“
„Drei Schafe, meine Gebieterin!“, antwortete Lenia, den Blick starr auf ihre bloßen Füße gerichtet.
„Wo sind die Tierkadaver?“, wollte Eve wissen und erhielt keine Antwort.
„Wo die Tierkadaver sind, fragte ich!“, wiederholte sie ihre Frage fast schreiend.
„Im Zimmer, im Zimmer hinter uns.“, antwortete Daniel.
„Prima!“
„Wir wollten sie auf der Wiese fressen, aber der Bauer kam und wir hätten entweder den Bauern töten oder die Beute zurück lassen müssen!“, rechtfertigten sie sich.
„Wenn ich eure Meinung hören wollte, dann hätte ich danach gefragt. Das Warum interessiert nicht. Die Frage ist, in wessen Haus sind wir eigentlich und wann wird diese Person wieder hier sein?“
„Das ist Philleas‘ Haus. Er war euch noch einen Gefallen schuldig und so haben wir ihn – bevor wir hier her kamen – darum gebeten, dass er uns sein Haus für ein paar Tage überlässt. Als Versteck.“
Bevor jedoch Eve oder einer der Werleoparden etwas Weiteres sagen konnte, ging die Tür zu einem Nebenzimmer auf und Lazarus trat ein.
„Mein Gott wie soll man bei dem Krach in Ruhe nachdenken können?“, fragte er leicht genervt, blickte dann überrascht, als er Eve sah. Einen Moment lang glaubte er einen Tagtraum zu sehen, da Eve für einen Wimpernschlag mehr tot als lebendig aussah, aber dann lächelte sie ihn wieder mit ihrem typischen schönen Lächeln an und sie sah wieder so wundervoll wie immer aus. Mit dem Unterschied aber, das sie noch blass war. Jedenfalls blasser als sonst.
Die Überraschung hatte er schnell abgeschüttelt und Freude durchströmte den Magier. „Gut zu sehen Eve, das du wieder auf den Beinen bist.“
„Danke“, sagte Eve nur und ihr Blick ging wieder zu den Werleoparden. Lazarus seufzte, als er die nackten Drei sah. „Habt ihr schon wieder eure Kleidung zerrissen? Na gut, also noch einmal etwas herzaubern. Passt aber jetzt besser auf. Ich kann mich nicht jedes Mal darum kümmern.“
Daniel schenkte ihm nur einen bösen Blick, während Lenia und Gabriel dankend nickten. Die Werleoparden hatten sich wieder erhoben und zogen schnell die neuen Sachen an.
„Eve ich muss mit dir sprechen …“, rückte Lazarus nach einigen Momenten heraus. Sie sah ihn mit einem ernsten Blick an. „Ja das denke ich auch mein guter Lazarus. Daniel, Gabriel, Lenia? Verschwindet sofort!“
Die drei Werleoparden zogen sich schnell aus dem Raum zurück und dann waren der Magier und die Vampirlady allein. Bedrückende Stille legte sich über beide, bis endlich Lazarus wieder sprach.
„Das was passiert ist Eve, es tut mir Leid…“, jedoch bevor er weiter sprechen konnte wurde er ungestüm von ihr unterbrochen. „Sag mal weist du eigentlich was genau du getan hast?! Verdammt noch mal! Weist du, dass du jetzt mein Diener bist!?“
Schweigen. Wieder sagte Lazarus für einige Augenblicke nichts. Dafür lagen in seinen nächsten Worten mehr Entschlossenheit als jemals zuvor es Eve gehört hatte.
„Ja ich weis was ich getan habe Eve. Ich habe verflucht noch mal dein Leben gerettet! Aber jetzt lass mich ausreden!“ Mit einer wilden Handbewegung schnitt er ihr das Wort ab, als sie wieder was erwidern wollte.
„Es tut mir Leid Eve, alles. Ich hätte dich damals nicht bitten sollen mit mir zu reisen. Verdammt, ich hätte schon damals in der Taverne mich nicht auf dich einlassen sollen. Versteh es nicht falsch bitte, aber nur meinetwegen bist du und wahrscheinlich dein ganzer Vampirclan in solchen Schwierigkeiten geraten. Ich hoffe du kannst mir vergeben wegen mir solche Schmerzen erlitten zu haben.“
Lazarus seufzte uns sah kurz Gedanken verloren auf einen Punkt hinter Eve. Etwas wichtiges beschäftigte ihn sehr, das sah die Vampirin.
„Was meintest du mit Schwierigkeiten für meinen Clan? Meinst du jetzt Damian?“, fragte sie nach kurzem zögern.
Lazarus nickte. „Ja ich glaube ich weis was los ist. Ich bin dir und Damian für das was ihr für mich getan habt mehr als dankbar. Aber ich frage mich, ob es das Wert ist, denn das was auf uns wartet scheint größer … und schlimmer zu sein als ich dachte. Ich habe wahrscheinlich euer aller Untergang damit besiegelt, weil ihr mir geholfen habt. Zuerst wollte ich es nicht wahr haben aber dann …“
„Hat es etwas damit zu tun, was du in den Katakomben gesehen hast? Gabriel hat mir erzählt wie du total geschockt fast zusammengebrochen bist.“
Zur Bestätigung nickte er, sprach aber nicht weiter. „Herr Gott noch mal jetzt sag mir was los ist!“, fuhr Eve ihn an und Lazarus zuckte zusammen. „Entschuldige … nun bitte, sag mir was los ist.“
Lazarus holte noch mal tief Luft und begann zu erzählen.
„Du erinnerst dich doch daran, warum Damian noch mal zur Hauptstadt gereist ist? Der Sünder-Dämon hatte von Beckensteins Namen erwähnt und ich hatte mir meine Gedanken dazu gemacht. Zuerst glaubte ich, dass er die Dienste eines Beschwörers oder dergleichen in Anspruch genommen hatte. Flüchtig kam mir der Einfall, dass er vielleicht eine der drei Schriftrollen gefunden hatte, aber das verwarf ich wieder schnell.
Dann wurden wir hier von Untoten überfallen, als Rache ihres Meisters, da wir den Vortex-Dämon wieder zurück in die Abgründe geschickt hatten. Da wurde mir klar das da mehr dahinter stecken musste als ich bisher ahnte. Aber was ich dann unten in der Kammer erfuhr … das … nun ja … es war überraschend und schrecklich zugleich. Es ist kein Mensch der hinter all dem steckt, ich glaube Lord Cappla ist nur eine Marionette in einem Spiel.
In der Kammer traf ich den Dämon, der für das verschwinden meiner Schwester verantwortlich ist. Genau den Dämon, den ich damals frei gelassen habe. Er zieht die Fäden im Hintergrund. Ich hatte gerade einen seiner Jünger überrascht und er hat sich mir dann preisgegeben.“
Lazarus schüttelte den Kopf. Er konnte immer noch nicht glauben was passiert war.
„Dieser Dämon … er sagte mir das er irgendetwas plant. Irgendetwas mit dem Ende der Welt. Typisches Dämonengerede. Aber es scheint, als scharrt er Anhänger um sich um in unserer Welt Einfluss zu nehmen und Dinge zu erledigen, er selber ist Gott sei dank noch nicht Körperlich präsent. Wer weiß? Vielleicht hat von Beckenstein wirklich eine der drei Schriftrollen um ihn zu dienen. Ich hoffe es nicht. Jedenfalls ist Damian in größter Gefahr. Wir müssen ihn irgendwie warnen. Gleichzeitig aber muss ich die anderen Schriftrollen finden!“
Lazarus setzte sich und schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe das Gefühl, dass uns die Zeit davon rennt Eve.“
Stille legte sich wieder über die beiden und Lazarus sagte noch mit gebrochener Stimme: „Mein Gott, diese Ausgeburt der Hölle ist mir dankbar für seine Befreiung.“