Koop Spartan, Cass und Fara
Die Reise ging ohne große Unterbrechungen weiter. Meleas dachte sich vieles, ließ aber niemanden an seinen Gedanken teilhaben. Die Situation hatte sich in gefährlich unbekanntes Terrain verwandelt, und er war zwar nicht nervös, jedoch durchaus angespannt. Zumindest war das Wetter annehmbar. Sie erreichten recht zügig die Ränder Loreéns und waren gegen Mittag bereits am Ufer des Flusses angekommen. Er hob seine Hand.
"Wir machen kurz eine Pause. Kivessa, Liana - wir werden dann unsere ersten Trainingsstunden machen. Wie wir es besprochen haben." Er ließ seinen Blick wandern, dann marschierte er federnden Schrittes zu einem Baum und schnitt blitzschnell zwei etwa armlange, stabile Äste ab.
"Fürs Training genügen derartige Waffen. Wie wollen ja keine Verletzten." Sein Tonfall war vollkommen nüchtern, als ob der Streit mit Liana nie geschehen wäre.
Nach ein paar Minuten des Ausruhens ließ der Eldar die beiden jungen Frauen Aufstellung nehmen.
"Kivessa, du bist die Erfahrene. Lass Liana mal angreifen. Liana, nimm den Stock in die Hand, mit der du am besten klarkommst, füße leicht auseinander etwas schräg stellen, sicherer Stand. Den Schwertarm locker halten, den Blick auf den Gegner und dessen Waffe richten."
Die junge Eldarin schaute Meleas mit leicht skeptischem Blick an. "Ich hatte auch nicht unbedingt vor, Kiv meinen Rücken zu präsentieren", fügte sie leicht ironisch an, fixierte ihre Gegenspielerin dann aber gehorsam an und nahm den Knüppel in die rechte Hand.
"Das wäre äußerst unklug", bestätigte Kiv sachlich, der ironische Unterton der Prinzessin war gänzlich an ihr vorbeigegangen. Anfangs war sie nicht sonderlich überzeugt von Meleas Vorschlag gewesen, mit Liana zusammen zu trainieren. Die Übungsstunden mit Meleas halfen ihr, unterschiedliche Schwerttechniken zu erproben und zu verbessern, doch die Prinzessin musste zunächst einmal die grundlegenden Schritte und Haltungen des Schwertkampfes erlernen. Was hätte sie, Kiv, also davon? Tan hatte es jedoch geschafft, dass sie den Übungen zusagte. "Tu es für Liana", hatte er mehr als eindringlich gesagt. "Sie muss wissen, wie sie sich verteidigen kann."
Also stand Kiv nun der Prinzessin gegenüber, ihren Stock in der rechten, bereit den ersten Schlag abzuwehren. Tan hatte sich nur wenig entfernt ins Gras gesetzt und sah den beiden etwas angespannt aber auch sehr neugierig zu.
Liana hatte in Elyria nie kämpfen müssen, ihre Eltern hielten es auch nicht für nötig, dass sie es lernte. Dennoch hatte sie der Wache ab und zu beim Training zugesehen. Der Schlagabtausch erinnerte immer an einen wilden Tanz - und die Schwerter spielten die Musik.
Hier draußen war ihr bewusst geworden, wie wehrlos sie war. Solang sie ihre Wolfsform nicht kontrollieren konnte, ergab es Sinn, dass sie das Kämpfen lernte.
Sie bewegte sich nicht direkt auf Kiv zu, sondern leicht seitlich, spürte den Sand zwischen ihren Füßen und ihr Herz fing an schneller zu schlagen. Eigentlich hatte sie nicht vor, Kiv zu verletzen. Das musste sie jetzt wohl ausblenden.
Mit einem schnellen Schritt auf Kiv zu holte sie aus und schwang den Knüppel seitlich nach ihrer Wegbegleiterin.
Dafür, dass Liana den Schwertkampf nicht gewohnt war, gelang ihr der erste Schlag gar nicht mal schlecht. Kiv verlagerte ihr Gewicht nur minimal auf den rechten Fuß und blockte das Holzschwert der Prinzessin ab.
Meleas hatte die Arme verschränkt und beobachtete die beiden jungen Eldarfrauen ohne eine Miene zu verziehen.
"Liana, guter Versuch, aber zu offensichtlich. Ein erfahrener Gegner liest in die wie in einem Buch. Achte auf deine Beinarbeit, denke an Tanzen." Seine Stimme war so neutral, dass man sich nicht sicher sein konnte ob er sich über sie lustig machte. Tatsächlich hatte er gar keine Ambition, sie zu ärgern, nicht wenn er sie trainierte.
"Kivessa, die Seite ist gut bei dir. Nur die andere war weit offen - andere Gegner würde durchkommen. Aber schon sehr gut geblockt." Der Eldar nickte.
"Gut. Liana, ein Schwert hat natürlich einen anderen Schwerpunkt als ein Stock,aber versuche, diesen auch dort zu finden. Die Kraft kommt nicht aus der Schulter, sondern dem Unterarm und dem Handgelenk. Da du eine recht zarte Statur hast, würdest du ein eher leichtes Schwert oder Dolch als Waffe haben. Kivessa, bei dir passt das bereits, achte auf deine Schrittfolge dabei."
Liana musste sich extrem zusammenreißen, nicht jetzt schon genervt die Augen zu verdrehen. Wie wärs wenn du mir Tipps zu der Waffe gibst, die ich führe und nicht welche zu Waffen, die ich nicht führe?!
Sie hielt nur einen Augenblick inne, stellte den rechten Fuß kurz nach hinten und stach dann mit einem Vorwärtsschritt auf Höhe von Kivs Bauchgegend zu.
Dieses Mal blockte Kiv den Schlag nicht ab, sondern wich ihm mit einem Seitwärtsschritt aus. Sie nutzte den Schwung ihrer Bewegung, um ihr Schwert auf die Schulter der Prinzessin sausen zu lassen.
Der Schlag traf sie mit voller Wucht und sie kam auf dem sandigen Boden ins Straucheln, bis sie fiel. Der Schmerz war schlimm, doch sie rappelte sich wütend auf, fxierte Kiv und stürmte erneut auf sie zu.
Als Liana fiel, wollte Tan aufspringen und ihr helfen, doch die Prinzessin hatte sich bereits wieder aufgerappelt und machte weiter. Das musste man ihr lassen, sie wollte wirklich lernen, wie sie sich selbst verteidigen konnte, damit sie weniger hilflos war.
Kiv wartete ab, bis Liana wieder auf den Beinen war, dann nahm sie eine Verteidigungshaltung an und wartete auf den nächsten Schlag der Prinzessin.
"Stop." Der Eldar hob eine Hand.
"Mit Wut verliert man. In jeder Situation ist es unbedingt notwendig einen kühlen Kopf zu bewahren. Zwar scheint es für dem Moment, dass man stärker ist, aber man übersieht dann die Details und wird blind für alles andere. Einmal auf den Anfang, durchatmen und überlegen, was du machen willst."
Doch die Prinzessin hatte wenig Lust auf Zurückhaltung. Sie ließ eine Reihe von Schlägen auf Kiv los, ungezügelt und von allen Seiten, während sie zwischen den Hieben antwortete.
"Wahrscheinlich... hmjaaah!!... bist du einfach nicht in der Lage...." *schnauben* ".... deine Emotionen zu nutzen ... . Ich weiß ja nicht mal" ... *klong* .... "ob du welche hast." Beim letzten Schlag holte sie weit von links aus, änderte die Richtung aber kurz vorher nach unten, um Kivs Beine anzuvisieren und nutzte den Schwung, um mit der linken Faust ihr einen Schlag auf Kopfhöhe entgegen zu schicken.
Im ersten Moment war Kiv von den aggressiven Angriffen der Prinzessin überrascht, doch dann übernahm ihr Training und sie blockte die Schläge einen nach dem anderen ab. Beim letzten Schlag wollte sie zunächst abblocken, sprang dann jedoch im letzten Moment zu Seite. Ihr Instinkt warnte sie zwar vor dem Fausthieb, jedoch war es zu spät auszuweichen, sodass sie die Hand ausstrecken musste, um den Schlag abzufangen. Die Hand, auf deren Innenfläche Loreéns Zeichen zu sehen war.
Anstatt, dass Meleas zurückstänkerte, trat er einfach näher und ließ Kivessa machen. Dann winkte er die junge Eldar zur Seite und hob einen dicken Ast auf, den er elegant schwang.
"Wie üblich irrst du." Seine Ruhe war beinahe überirdisch, aber man sah ein leichtes Blitzen in den Augen.
"Das Wichtige ist, dass man die Emotionen beherrscht, und nicht die Emotionen dich. Greif an."
Liana verzeichnete still, dass sie Kiv tatsächlich für einen Moment in Bedrängnis gebracht hatte. Sie nickte ihr zu und versuchte es sogar mit einem Lächeln. Bisher schien sie aber irgendwie unnahbar zu sein, ein ziemlicher Gegensatz zu ihrem Bruder.
Sie ließ von ihr ab und wandte sich Meleas zu. Die Möglichkeit, auf ihn einzuschlagen, schien eine gute Möglichkeit zum Frustabbau zu sein. Dennoch wusste sie, dass er auf einem ganz anderen Nivau als Kiv sein würde. Ihr war nicht klar, ob er sie vorführen wollte oder nicht aber das wir ihr gerade auch egal. Mit entschlossenen Schrittes und einem Stich auf Bauchhöhe eröffnete sie ihren Angriff.
Kiv erwiderte das Nicken hastig und lief dabei leicht rot an. Da Meleas und Liana nun gegeneinander kämpften, trat Kiv einen Schritt zur Seite und sah lediglich zu.
Der ältere Mann hatte sich blitzartig weggedreht, so dass der Angriff ins Leere ging, und trat ein paar Schritte zur Seite.
"Zu offensichtlich. Solche direkten Angriffe erkennt ein erfahrener Kämpfer sofort. Es ist nützlich, wenn man in der Schlacht ist, da dann schnell die Übersicht verloren gehen kann, oder wenn es gegen Anfänger geht, allerdings nicht wenn du jemanden attackierst, der länger die Kunst des Schwertkampfes erlernt hat. Achte auf deine Fußhaltung, sie muss tänzeln, nicht stampfen. Die Augen immer auf den Gegner, aber nie auf die Stelle, die du attackieren willst."
Sie verkniff sich einen Kommentar und versuchte weiter Meleas zu attackieren, allerdings erfolglos.
Lyrianos beobachtete die Übungen und schüttelte nach einer Weile leicht den Kopf.
"Wir gehen das völlig falsch an." Sein Kommentar war eher ein Selbstgespräch, doch Tan war nah genug, dass er es hören konnte.
Verwundert blickte Tan auf. Er hatte bisher noch überhaupt keine Notiz von Lyrianos genommen.
"Wie meint ihr das?"
Schließlich blieb Meleas stehen.
"Wenn du mir nun zuhörst, wäre das gut. Ich merke deinen Frust. Wenn ich dann noch passende Kommentare einfließen ließe, hätte jeder leichtes Spiel mit dir." Er stützte sich auf den Stock.
"Du bist agil und hast ein gutes Auge, nutz es. Vor allem aber müssen wir zusehen, dass du dich verteidigen kannst. Wenn du deine Wut jetzt an mir ausreichend ausgelassen hast, können wir nun wirklich anfangen, daran etwas zu arbeiten."
Lyrianos blickte kurz zu Tan und realisierte, dass dieser ihn gehört hatte.
"Sie ist keine Schwertkämpferin, kannst du das nicht sehen?
Ihr fehlt die Disziplin... es ....passt einfach nicht zu ihrer Wesensart."
Liana schnaubte und zeigte mit dem Stock auf Meleas. "Du bist ein miserabler Lehrer, Meleas. Im Moment bist du der einzige, der leichtes Spiel mit mir hat und mich derart reizt."
Sie ging in die Hocke und trat nach dem Stock auf den sich Meleas stützte. In der Drehung nahm sie außerhalb seines Sichtfeldes eine Hand voll Sand auf und warf sie in seine Richtung, als sie die Drehung vollendete und zustach.
"Ich weiß nicht, ob ich Euch gänzlich zustimmen würde", erwiderte Tan diplomatisch. Liana konnte zugegebenermaßen nicht mit Kiv verglichen werden, doch seine Schwester trainierte schließlich schon seit ihrer Jugend mit dem Schwert "Sie hatte noch nie zuvor ein Schwert in der Hand und..." Er sah zu, wie Liana erneut gegen Meleas vorging. "Sie scheint immerhin sehr kreativ damit zu sein."
Der Sand traf nicht voll, da sie zu weit unten war um effektiv das Gesich zu erwischen, und auch wenn das ein überraschender Move war, so wich er mit einer Rolle aus als das Gleichgewicht gestört war, srang wieder auf und grinste dann etwas.
"Sehr gut, schmutziges Kämpfen ist genau das Richtige. Ich reize dich nicht einmal. Aber du lässt dich von deinen Emotionen zu sehr beherrschen. Welche Verteidigungsstrategie würdest du denn wählen wenn du könntest?"
"Genau diese dreckige Art zu kämpfen ist das, was ich meine. Sie macht es ohne Training, völlig instinktiv."
Lyrianos nickte wie zu sich selbst. Dann sah er Tan an. "Sie braucht eine andere Waffe."
Liana sah Meleas wütend an und warf plötzlich den Stock nach ihm was selbst Lyrianos überraschend aufblicken ließ.
"Wie kann man nur..... boah, was denn für verdammte Verteidigungsstrategien? Verflucht noch mal, ich habe keine Ahnung vom Schwertkampf! Woher soll ich das denn wissen?!"
Lyrianos sah kurz zwischen den beiden hin und her und sagte dann: "ich glaube, wir belassen es für den Augenblick dabei."
Liana drehte sich um und machte Anstalten, den Übungsplatz zu verlassen.
"Oh." Ja, das leuchtete Tan ein. "Also eher so etwas wie einen Dolch oder ein Langmesser?"
"Etwas, mit dem sie ihre Wendigkeit ausnutzen kann", überlegte Kiv, die sich zu ihnen gesellt und zugehört hatte. "Und vielleicht sollte sie im Faustkampf unterwiesen werden, stark genug dafür schätze ich sie ein."
In diesem Moment schien der Prinzessin der Kragen zu platzen. Kiv blickte etwas verwirrt, schließlich hatte Meleas nur eine Frage gestellt. Tan hingegen mühte sich nun auf die Füße und machte anstalten Liana zu folgen, sollte sie Gesprächsbedarf haben.
"Wer redete denn von Schwertkampf?" Meleas blieb ruhig und wich dem nicht gerade gezielt geworfenen Stock aus. Doch er zuckte mit den Achseln.
"Dein Problem. Es gäbe noch mehr, und nicht nur das Schwert, aber dazu musst du eben bereit sein." Sprach's und ließ die Prinzessin einfach stehen, um sich am Fluß etwas Wasser zum Trinken zu holen.
Liana verließ den Übungsplatz und lief am Ufer des Flusses entlang. Lyrianos sah nachdenklich Tan hinterher, der ihr in kurzem Abstand folgte.
"Ist sie schon immer so leicht reizbar gewesen?", fragte er an Kivessa gewandt.
Kiv, die ebenfalls ihrem Bruder nachgeschaut hatte, sah nun Lyrianos an.
"Ich kenne die Prinzessin erst seit wenigen Tagen", erklärte sie sachlich. "In dieser Zeit hat sie häufig auf ähnliche Weise reagiert, vor allem wenn sie mit Meleas gesprochen hat. Ob sie das besonders reizbar macht, kann ich nicht beurteilen."
"Hm...." Lianas Gemütszustand blieb ihm noch ein wenig im Kopf hängen aber er hoffte, Tan konnte sie vielleicht beruhigen.
Er nickte den Fluss hinab nach Nordosten.
"Wenn sie wiederkommen sollten wir weiterziehen. Ein wenig weiter den Fluss hinab gibt es eine seichte Stelle, da kommen wir rüber. Dann sind es keine 2 Tage mehr nach Nirha."
Meleas stärkte sich am Wasser und ruhte sich ein paar Minuten aus, dann trat er zu Lyrianos.
"Was meintest du vorhin?"
Dieser hob den Kopf und wirkte überrascht.
"Was genau meinst du?"
Der Eldar lächelte etwas.
"Du meintest irgendwas vorhin. Aber ich hab das nicht richtig mitbekommen, ich war beschäftigt. Dass Liana mich nicht mag weiß ich, allerdings darf das keine Rolle spielen wenn es um ihre Sicherheit geht."
Lyrianos verschränkte die Arme und runzelte die Stirn.
"Nun, zum einen war offensichtlich, dass sie eine andere Waffe tragen sollte.
Aber auch so finde ich.... naja, du hast das mit ihr falsch angegangen."
Bedächtig ließ Meleas seine Finger über seinen Schwertgriff gleiten.
"Das große Problem ist einerseits, dass sie sich gegen mich sperrt. Heute war das mehr ein Test, und es ist richtig, sie ist definitiv keine Schwertkämpferin. Ihr fehlt jede Disziplin." Er hob eine Augenbraue.
"Mag sein. Aber sie braucht definitiv mehr Erfahrung. Beim nächsten Mal haben wir vielleicht nicht so ein Glück."
"Es geht weniger um Disziplin, eher um die eigene Wahrnehmung. Sie ist weit weg von zu Hause - wir haben hier gar nicht die Zeit, sie im typisch eldarischen Stil zu unterrichten. Hier draußen hilft ein schneller Stich mehr als alles andere und genau das ist es, was sie will - schnelle Fortschritte machen. Sie hat die Veranlagung für das dreckige Kämpfen sowieso, das ist ein Vorteil."
"Ich bin sicher nicht der typische Eldar." erwiderte der Assassine nur und nickte dann. Aus seinem Stiefel zog er einen Dolch mit glitzernd blanker Klinge hervor. ein sehr schönes und tödliches Stück der eldarischen Schmiedekunst.
"Davon zwei, je nachdem wie gut sie mit beiden Händen kämpfen kann. Dazu ein paar Nahkampftricks."
Lyrianos streckte den Arm aus und öffnete auffordernd die Hand.
"Lass mich mit ihr reden, bevor du sie weiter trainierst. Ich denke, ich kann verhindern, dass sie dir nochmal an die Kehle geht."
"Du bist bewandert in Wunderdingen?" Einen Moment lang zögerte er. Immerhin war dieser seltsame Mensch ein mehr oder minder Unbekannter. Doch sie mussten wohl oder übel zusammenarbeiten. Der Eldar reichte ihm den Dolch.
"Viel Vergnügen."
Koop - Liana (Spartan) und Tan (Fara)
Dieser unfähige Meuchelmörder, dachte Liana, während sie geistesabwesend einen Ast vom Boden aufhob und ihn im Laufen in kleine Stücke brach und sie in den Fluss warf.
"' Zu offensichtlich' - 'Achte auf deine Fußhaltung' "... sie äffte Meleas nach. " - Wieso muss ausgerechnet dieser treue Hund meines Vaters mich trainieren, der mich wirklich überhaupt nicht kennt....". Sie warf die Holzstücke immer weiter, während sie sich in Rage redete. Dass ihr Tan gefolgt war, hatte sie gar nicht mitbekommen.
Liana schien ziemlich mit sich selbst beschäftigt zu sein. Tan war sich unsicher, ob er sie überhaupt ansprechen sollte. Schließlich entschied er sich für einen Zwischenwege und räusperte sich schlicht laut genug, dass sie ihn hören musste.
Sie drehte sich völlig überrascht um und holte aufgeregt Luft, bis sie erkannte, wer sie verfolgte. In ihrer Stimme schwang ein kleiner Vorwurf aber vor allem Erleichterung.
"Verdammt Tan, du hast mich zu Tode erschreckt!"
"Entschuldige bitte", sagte Tan mit einem leicht schlechten Gewissen, doch andererseits wirkte Liana nicht wirklich sauer auf ihn.
"Ich dachte bloß, niemand von uns sollte allein durch den Wald laufen, doch ich kann verstehen, wenn du etwas Zeit allein brauchst."
Mit einem Kopfschütteln winkte sie ab.
"Nein, ich glaube es tut mir gerade ganz gut, wenn ich nicht alleine bin."
Sie merkte, dass seine Anwesenheit sie beruhigte, denn die Wut, die sie eben noch verspürte, war einfach verflogen.
Erleichtert nickte Tan. Er hätte Liana wirklich ungerne allein gelassen. Einen Moment schwiegen sie, dann räusperte er sich.
"Liana, ich weiß, dass Meleas nicht der einfachste Umgang ist, aber... meinst du nicht, dass du etwas... intensiv auf ihn reagierst?"
Bevor sie etwas sagen konnte, hob er rasch beschwichtigend die Hände und sprach weiter: "Damit will ich keinesfalls sagen, dass er dir gegenüber nicht auch netter sein sollte. Aber ich glaube gerade wollte er dir wirklich helfen und dir etwas beibringen, verstehst du?"
Sie zog die Augenbrauen hoch. "Intensiv?! - Ist das dein Ernst, ich..." Sie holte tief Luft und beruhigte sich kurz, bevor sie antwortete. Tan sollte nicht den Eindruck bekommen, er hätte etwas falsches gesagt. "Du hast Meleas nicht so kennengelernt wie ich das habe. Er ist ein Schoßhund meines Vaters, der treue Agent, der immer seine Pflicht erfüllt. Wenn er mich schützen will tut er es für meinen Vater und nicht für mich. Ein Meuchelmörder und Attentäter ist er, jemand der absolut skrupelos und unbarmherzig ist." Sie sah ihm in die Augen und schüttelte leicht den Kopf. "Ich will von ihm nichts lernen. Er verkörpert all das, was ich niemals sein wollte."
Ernst hörte Tan ihr zu. Er hatte bis zu diesem Moment nie groß darüber nachgedacht, dass Meleas und Liana eine Vorgeschichte hatten.
"Das habe ich nicht bedacht", sagte er nun. Im Stillen beunruhigte ihn diese Beschreibung von Meleas ziemlich. Er hatte gewusst, dass der andere Eldar für den König arbeitete, doch was genau er für ihn tat, war ihm bisher verborgen geblieben. Lianas Widerwillen Meleas gegenüber konnte er nun jedenfalls besser verstehen.
"Falls es dich beruhigt, er hat sich von Anfang an dagegen ausgesprochen den König über dein Fortgehen zu informieren und stattdessen auf Meister Umbari zu vertrauen."
Liana rollte leicht mit den Augen, lächelte Tan aber freudlos an. "Natürlich hat er das. Würde ich ihm nicht ansatzweise vertrauen, könne er auch nicht auf mich aufpassen und genau das ist es, was mein Vater wollen würde, selbst wenn er es ihm nicht befohlen hat." Sie deutete eine Verbeugung an. "Und wenn es raus kommt, kann er es als weise Vorraussicht darlegen, dass er seitdem an meiner Seite geblieben ist."
Sie ließ kurz die Schultern hängen. "Ich.... ich hasse ihn ja nicht. Ich kann ihn einfach nicht besonders leiden. In Elyria konnnte ich ihm einfach aus dem Weg gehen und das wars." Nach einer Pause fügte sie hinzu: "Weißt du, ich glaub ich hab einfach wen anders im Kopf, den ich unbedingt auf dieser Reise gerne dabei gehabt hätte. Meleas ist gerade ganz gut, um meinem Frust eine Richtung zu geben - auch wenn das vielleicht nicht richtig ist."
Einerseits konnte Tan Lianas Standpunkt durchaus verstehen, andererseits fragte er sich jedoch, ob sie nicht vielleicht etwas zu viel darüber nachdachte. Das sagte er ihr allerdings nicht - sie hatte Bedenken gegen Meleas und das war auch ihr gutes Recht. Nun mussten sie bloß schauen, wie sie die gemeinsame Reise überstehen würden...
Tan merkte auf.
"Und wer wäre das - wenn ich fragen darf?"
Sie lächelte kurz auf, auch wenn es nur von kurzer Dauer war. "Ihr Name ist Malra. Wir sind schon zusammen durch die Wälder gestreift, als wir noch Kinder waren." Ihr Lächeln bröckelte. "Ich hab sie seit dem Angriff in Elyria nicht mehr gesehen. Seit wir Loreén verlassen haben, hatte ich kaum einen Augenblick Zeit darüber nachzudenken. Aber jetzt fehlt sie mir unheimlich..."
"Das kann ich verstehen", sagte Tan mitfühlend. Er musste an seine Schwester denken und wie sehr er sie vermissen würde, wenn sie auf dieser Reise nicht bei ihm wäre.
"Wenn wir ihr doch nur eine Nachricht zukommen lassen könnten, damit sie sich zumindest keine Sorgen macht..."
Ihr nächstes Lächeln war weitaus wärmer und sie schien ihn ein wenig necken zu wollen. "Sag du es mir. Ich dachte du bist hier der Magier von uns beiden."
Auch Tan musste nun lächeln. Er hob die Hand um sich verlegen am Kopf zu kratzen und wollte ihr gerade zustimmen, als ihm etwas einfiel. Nachdenklich ließ er die Hand wieder sinken und sagte:
"Meister Umbari hat mir von etwas erzählt, dass sich 'Seelenvereinigung' nennt. Angeblich können zwei auf diese Art verschmolzene Seelen egal über welche Distanz hinweg stets einander spüren, Gedanken und Gefühle austauschen. Allerdings meinte er auch, dass es so eine Vereinigung bisher nur in der Theorie gibt, und dass man dazu in der Bewusstseinsmagie geschult sein muss..."
Liana schaute erst skeptisch drein, dennoch keimte in ihr ein Funken Hoffnung auf, als sie sich an etwas erinnerte. "Eine....Seelenvereinigung? Meinst du das, was mit mir und Navari passiert ist? Ich dachte Loreén hätte gemeint, dass das eine Seelenverschmelzung war. Also ist eine Seelenvereinigung etwas völlig anderes?" Es musste so sein, das was Tan da erzählte, ging doch ein wenig weiter. "Weißt du mehr darüber?"
Bevor er antwortete, dachte Tan noch einmal angestrengt nach und versuchte sich so gut wie möglich an sein Gespräch mit dem Meister zu erinnern.
"Nein, er hat definitiv von einer Vereinigung gesprochen - allerdings... allerdings hat er gesagt, man könne es auch Verschmelzung nennen!", fiel ihm nun aufgeregt wieder ein.
"Er meinte, die Meister hätten die Existenz einer solchen Vereinigung noch nicht nachweisen können, doch es würde Erzählungen darüber geben. Er sagte... Er sagte es sei 'die stärkste Form der Bindung, die zwei Individuen eingehen können', und dass zwei Seelen auf diese Weise ewig verbunden sind." Er wurde nun etwas verlegen.
"Wir kamen auf das Thema, weil ich Meister Umbari gefragt habe, wie er deinen Geist vor dem Dämon schützen konnte. Anscheinend gibt es eine Verbindung zwischen dem Zauber, der genau einen solchen Schutz ermöglicht und einer Seelenvereinigung."
"Vielleicht gibt es die... Aber das mit Navari und mir war etwas anderes... es hat mir nicht weh getan oder so aber wirklich freiwillig habe ich mich ja auch nicht an sie gebunden, geschweige denn, dass ich groß eigenständig handeln konnte. Wir waren zwei Seelen gefangen im selben Körper. Aber das was du mir beschreibst klingt wie etwas, bei dem beide Seelen komplett eigenständig sind - und trotzdem immer wieder voneinander angezogen werden. Klingt ein bisschen nach Schicksal, findest du nicht auch?"
Sie waren an einer großen Eiche vorbeigekommen, deren blühende Äste erstaunlich weit unten hing. Liana fuhr mit den Fingern geistesabwesend durch die Blätter.
"Zwei Seelen, die auf ewig verbunden wären.... die Vorstellung kann einem Angst machen." Ein verschmitztes Lächeln flog über ihre Lippen. "Oder aber sehr berauschend sein, je nach dem." Sie setzte einen fragenden Blick auf. "Könntest du dir das vorstellen, das es so etwas wirkich gibt? Seine Gedanken mit jemandem zu teilen, egal wo er gerade ist - jemand den du immer spürst, von dem du wortwörtlich magisch angezogen wirst....".
Ihre grünen Augen nahmen einen leicht verträumten Blick an, als würde sie solch eine Situation gedanklich durchspielen.
Mit nachdenklichem Blick lehnte Tan sich gegen den Stamm der Eiche.
"Als Meister Umbari mir von der Seelenvereinigung erzählte, hat mich das ungemein fasziniert. Natürlich ist es schwer, sich das wirklich vorzustellen... andererseits." Er überlegte noch etwas und lächelte dann leicht.
"Wieso sollte es so etwas nicht geben? Warum sollten zwei Seelen nicht auf eine solche Art miteinander verbunden sein, dass sie stets um die andere wissen? Es kommt natürlich auf die miteinander verbundenen Personen an, doch ich kann mir durchaus vorstellen, dass es so etwas gibt."
Liana legte den Kopf schief und lächelte Tan fragend an: "Hast du... etwa jemanden im Sinn? Gäbe es jemandem mit dem du genau das teilen wolltest?".
Sie war neugierig, aber aus irgendeinem Grund war sie nicht sicher, ob sie die Antwort hören wollte.
"Hm, ich?" Tan kratzte sich am Kopf.
"Ich bin mir nicht sicher. Eine solche Verbindung bedeutet natürlich, dass deine Gedanken niemals wieder nur deine eigenen sind." Er spielte mit einer der Ketten um seinen Hals.
"Wobei ich es mir manches Mal als praktisch vorstellen könnte, wenn Kiv und ich so eine Verbindung teilen würden."
Die Antwort überraschte sie und Liana wirkte sogar ein wenig irritiert. "Deine ... Schwester?" Sie hob eine Augenbraue. "Ich weiß, bei Zwillingen läuft das manchmal etwas anders ab... aber ich habe auch Geschwister. Wenn ich mir überlege, ich müsste mit einem meiner Brüder so eine Verbindung teilen... nein, ich stells mir lieber nicht vor." Sie schüttelte sich, der Gedanke schien ihr wirklich Unbehagen zu bereiten. Sie zögerte noch einen Moment. "... ich glaube, ich würde nicht mal mit Malra so eine Verbindung eingehen wollen. Sie ist meine beste Freundin, ja, aber... ich weiß nicht, ich stell mir so eine Seelenverbindung einfach.... anders vor. Intimer."
"Na ja, um ehrlich zu sein, wüsste ich auch nicht ob ich eine solche Verbindung dauerhaft wollen würde", erwiderte Tan. "Kiv und ich sind vermutlich enger miteinander verbunden, als die meisten Geschwister. Das ist einfach schon durch unsere Geburt bedingt." Er runzelte die Stirn.
"Es ist nicht immer leicht für sie, weißt du? Sie versteht die anderen Eldari oft nicht und wird selbst oft nicht verstanden. Ich dachte bloß, eine Verbindung die keine Worte bedarf, könnte uns beiden helfen einander besser zu verstehen." Er seufzte.
"Allerdings hast du natürlich recht, das ist etwas sehr intimes und es klingt nicht so, als könnte man es einfach abschalten."
Liana presste die Lippen aufeinander. Sie schien nicht genau zu wissen, ob sie das nächste wirklich sagen wollte.
"Wo du es schon ansprichst... wieso ist Kiv eigentlich immer so verschlossen? Sie wirkt nicht mal schüchtern sondern viel eher... in sich gekehrt. Als würde sie sich in der Gegenwart von anderen immer unwohl fühlen."
"Ah." Tan kratzte sich verlegen am Kopf.
"Das liegt wohl daran, dass sie sich tatsächlich in Gegenwart von anderen unwohl fühlt - die meiste Zeit zumindest." Es war nicht das erste Mal, dass er Love Verhalten erklären musste.
"Bitte nimm das nicht persönlich. Kiv hat bloß große Probleme Gefühlslagen richtig einzuschätzen und lässt sich davon schnell einschüchtern. Aber sie mag dich, weißt du?"
Der Gesichtsausdruck der jungrn Eldarin zeigte die pure Skepsis. "Meinst du das ernst? Woher willst du das wissen - wir haben bisher kaum ein Wort miteinander gewechselt."
Er lächelte.
"Ich kenne meine Schwester seit unserer Geburt. Glaub mir, ich kann so etwas einschätzen. Außerdem..." Doch er stockte. Nein, das war etwas, das Kiv Liana selbst sagen sollte.
"Ähm... außerdem... Erinnerst du dich daran wie es war, als du in Navaris Körper gesteckt hast? Kiv war die ganze Zeit an deiner Seite."
Sie spürte, dass er ihr nicht alles erzählte, aber das war ok. Dennoch schüttelte sie leicht den Kopf.
"Nein, das zählt nicht. Kiv wusste doch gar nicht, dass ich mit Navari verbunden war. Sie fühlt sich als Hüterin wahrscheinlich zu anderen Lebewesen mehr verbunden."
"Das mag natürlich sein", gestand Tan ihr fairerweise zu. "Dennoch glaube ich, dass sie etwas besonderes zu gerade diesem Tier hingezogen hat." Er hob die Schultern.
"Wenn du magst, unterhalte dich einfach mal mit ihr."
"hm...." Liana wusste gar nicht, wie sie so ein Gespräch anfangen sollte. Kiv würde es ihr auch bestimmt nicht einfach machen. Aber Tan war ihr Bruder - wenn jemand sie besser einschätzen konnte, dann er.
"Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Solange sie mich auch akzeptiert, wenn ich mal nicht auf allen vieren laufe." Sofort war sie gedanklich wieder bei ihrem neuen Fähigkeit, die sie gar nicht kontrollieren konnte.
"Das wird sie bestimmt", erwiderte Tan lächelnd, wurde dann jedoch ernst. Sie mussten immer noch herausfinden, wie Liana ihre Wolfsform kontrollieren konnte. Dass sie sie irgendwie würde kontrollieren können, daran durfte er nicht zweifeln.
"Liana, vielleicht sollten wir mit Lyrianos sprechen und ihn fragen, ob er eine Idee hat wie du deine Wolfsform kontrollieren kannst?"
Sie nickte nachdenklich. "Da werd ich wohl nicht drum herum kommen. Ich denke, wir müssen sowieso bald weiter."
Sie zögerte noch kurz, fügte dann aber hinzu. "Danke fürs Zuhören.", und lächelte Tan an.
"Stimmt, wir sollten zurück." Er erwiderte ihr Lächeln, froh, dass er hatte helfen können.
"Du bist nicht allein, Liana. Wir sind alle für dich da."