Beiträge von Faranzi

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    Erleichterung durchfuhr Tan, als er Lianas Stimme vernahm. Sie wirkte noch ordentlich geschwächt, jedoch schien sie ihr volles Bewusstsein zurück erlangt zu haben. Er lächelte sie an und nickte dann Lyrianos zu, bevor er sich dazu zwang, dem hauptsächlichen Gespräch zu folgen. Seine Brauen zogen sich kurz zusammen. Die Träume? Die Träume von denen Kiv ihm erzählt hatte?


    Kiv währenddessen hing an Prius' Lippen. So wenig sie auch von Magie verstehen mochte, so gering ihre Verbindung zu allem magischen war - das hier ging sie direkt an. Und nicht nur sie, wie ihr nun klar wurde. Sie war nur eine von vielen, die diese Träume heimsuchten. Doch wieso ausgerechnet sie? Ihr Blick flackerte zu ihrem Bruder, der sicherlich deutlich mehr von Prius Worten verstand als sie. Ihr Traum... eine Vision der Zukunft? Oder der Vergangenheit? In ihrem Traum suchte sie nach Tan - es war wichtig, dass sie ihn fand. Es lag Verzweiflung in diesem Traum. Hieß das...

    Doch bevor Kiv weiter darüber nachdenken konnte, gesellte sich eine weitere Gestalt zu ihnen. Sie zuckte instinktiv zu ihrem Schwert, doch ihr Instinkt hatte sie vor keiner Gefahr gewarnt. Dieser Mann - eher noch ein Junge - wollte ihnen nichts böses. Nichtsdestotrotz bewegte Kiv sich unmerklich näher zu ihrem Bruder und Liana. Die Sicherheit der Prinzessin war immer noch ihre Aufgabe, die Sicherheit ihres Bruders ihre Verantwortung.

    Beide Zwillinge lauschten Alarion. Kiv blickte erneut zu Tan, doch dieser schüttelte bloß den Kopf. Seine Expertise war hier ebenfalls überfragt.

    "Erzbuddler?", fragte Tan schließlich und blickte Roggash dabei an.

    Kivessas Wachsamkeit ließ keinen Moment nach, während sie durch die Gassen liefen, doch ihr Spürsinn für Gefahr schlug kein einziges Mal an. Sie schafften es ohne Zwischenfall in Prius' in der Kanalisation, von dem er ihnen berichtet hatte. Erst hier erlaubte die Eldarin es sich aufzuatmen. Ihr Blick wanderte zu dem Ork, der sie nun begleitete, doch von ihm schien keine Gefahr auszugehen. Nun hieß es warten. Kiv hielt sich nahe des Einganges auf, bereit Alarm zu schlagen, falls ihnen jemand gefolgt sein sollte. Tan wich Liana derweil nicht von der Seite und beobachtete Prius genau - nicht unbedingt misstrauisch, bloß angespannt und besorgt um Lianas Wohl. Als die Prinzessin schließlich die Augen öffnete, schien eine schwere Last von ihm abzufallen. Er kämpfte gegen den Instinkt an, sie sogleich mit Fragen zu bombardieren. Stattdessen fragte er vorsichtig:

    "Liana, geht es dir gut?"


    Kiv blickte zur Prinzessin. Ihre Erleichterung war nicht so offensichtlich wie die ihres Bruders, doch... ja, sie spürte eine gewisse Anspannung abfallen. Nun wanderte ihre Aufmerksamkeit gänzlich zu Prius. Andere einzuschätzen war ihr stets schwer gefallen, doch dieser Mensch war ihr ein besonderes Rätsel. Nun, da keine direkte Gefahr drohte und die Prinzessin wieder bei Bewusstsein war, erlaubte Kiv es sich die Frage zu stellen, die sie bereits die ganze Zeit beschäftigt hatte.

    "Vorhin habt Ihr von Träumen erzählt", begann sie, blieb jedoch stehen wo sie war. "Was meint ihr damit?" Er konnte doch unmöglich von den Träumen wissen, die sie seit einiger Zeit heimsuchten - oder?

    Die Zwillinge standen dicht beieinander, während Prius und Lyrianos sich um Liana bemühten. Sie wechselten einen schnellen Blick miteinander, ein unausgesprochenes Verständnis zwischen ihnen.

    Kiv trat an Lyrianos Seite.

    "Wenn wir uns durch die Straßen bewegen, müssen wir auf der Hut sein. Man wird immer noch nach uns Ausschau halten."

    Tan trat währenddessen zu Eleonora und neigte leicht den Kopf.

    "Ich möchte dir noch einmal für deine Hilfe danken. Das werde ich dir nicht vergessen." Sein Blick wanderte kurz zu der immer noch bewusstlosen Liana, die Sorge darin war deutlich zu erkennen. "Hoffentlich haben wir dir keine Unannehmlichkeiten bereitet", sagte er dann erneut an die Menschenfrau gewandt.

    Überrascht starrte Tan den Mann an, der sich nun zu ihm und Liana gesellt hatte. Das war Prius, der Heiler den Kiv und die anderen vor der Exekution bewahrt hatten. Tan wechselte einen Blick mit seiner Schwester, die nur leicht die Schultern hob. Sie konnte keine Gefahr von Prius ausgehen spüren, doch mehr konnte sie zu ihm auch nicht sagen. Nun, Liana brauchte Hilfe, und Tan war nicht imstande ihr zu helfen.

    "Sie ist am Rande des Marktplatzes zusammengebrochen", begann Tan so ruhig er konnte zu erklären. "Als... nun, zu dem Zeitpunkt, als Eure Exekution verhindert wurde." Er beäugte Prius unsicher. Der Heiler schien jedoch gänzlich in seine Aufgabe vertieft. "Ob sie irgendwelche Leiden oder Krankheiten hat weiß ich nicht, doch es ist mir noch nie aufgefallen. Und, nun.." Sollte er es ihm sagen? Ja, für Liana.

    "Sie ist vor kurzem von einer Art Dämon angegriffen worden und danach in einen ähnlichen Zustand gefallen."

    Misstrauisch und besorgt hatte Tan die Tür zum Hauptraum des Wirtshauses beobachtet, seitdem Eleonora dort hindurch gegangen war, um zu sehen, wer an die Tür gehämmert hatte. Was, wenn Liana und er entdeckt wurden? Wie sollte er sie beide verteidigen, vor allem ohne Magie? Er konnte Stimmen hören, jedoch nicht ausmachen, was gesagt wurde. Dann ging die Tür auf - und Erleichterung durchflutete Tan.

    "Meleas!" Wenn der ältere Eldar hier war, dann sicherlich auch...

    "Tan?", erklang nun die Stimme seiner Schwester, und tatsächlich, kurz darauf trat auch sie durch die Tür. Die Zwillinge fielen sich kurz in die Arme.

    "Bist du in Ordnung?", fragte Kiv und musterte ihn eindringlich. Tan nickte.

    "Ja, mir geht es gut. Doch Liana." Er sah verzweifelt zu ihr, dann an Meleas vorbei zu Lyrianos. "Sie ist einfach ohnmächtig geworden. Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen ist."

    „Träume?“, wiederholte Kiv verwirrt. Wieso sprachen sie plötzlich von Träumen? Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu dem Traum, der sie in regelmäßigen

    Abständen heimsuchte. Konnte es sein…? Doch da hatte Lyrianos bereits einen Zauber gewirkt und sie setzten sich in Bewegung. Ein beklemmendes Gefühl des

    Unbehagens kroch Kivs Kehle empor. Sie ließ sich ans Ende der kleinen Gruppe zurückfallen und blieb wachsam, doch lange waren sie nicht unterwegs. Zweifelnd

    betrachtete sie das Gebäude, in dem sich angeblich ihr Bruder aufhalten sollte. Soweit sie es einschätzen konnte, wirkte es wie der Eingang zu einem Wirtshaus, doch anscheinend war es zur Zeit nicht für Gäste geöffnet. Sie spürte keine Gefahr davon ausgehen, dennoch legte sich ihre Wachsamkeit nicht.

    "Warum sollten Tan und Liana sich hier aufhalten?", fragte sie zweifelnd. "Wenn sie sich verstecken wollten, wäre es nicht sinnvoller, in ein belebtes Gasthaus zu gehen?"


    "Aus dem Norden", erwiderte Tan.

    "Das ist unser erster Aufenthalt in Nirha", fügte er wahrheitsgemäß hinzu und neigte dann den Kopf.

    "Noch einmal möchte ich dir danken, Eleonora. Ich bin sicher, dass wir deine Gastfreundschaft nicht so lange beanspruchen werden." Kurz blickte er zu Liana, die sich noch immer in diesem eigenartigen Zustand zwischen Bewusstlosigkeit und Erwachsen befand. Sein Blick wanderte weiter zu dem Ork bei der Tür.

    "Und Euch möchte ich ebenfalls danken", sagte er nun, bevor er an beide gewandt sprach:

    "Meine Begleiterin, Liana... Sie wird einige Zeit des Ruhens brauchen. Ich werde über sie wachen."

    Es war wichtig, dass er mit Liana allein war, damit er den Zustand ihres Geistes kontrollieren konnte.

    „Ich hoffe es.“ Nicole verstand sofort, was er meinte. Nachdenklich runzelte sie die Stirn.

    „Gibt es denn niemanden aus deiner Familie, bei dem du eine Chance hättest? Jemand, der über deine – Information zumindest nachdenken würde?“, hakte sie nach und benutzte dabei bewusst den gleichen Begriff wie er.

    "Es freut mich, dass das hier geklappt hat." Nicole lächelte und hob dann leicht die Schultern.
    "Gut soweit. Ich muss immer noch an Josefina denken, aber irgendeine Lösung wird mir da schon einfallen. Hauptsache... Hauptsache, sie ist wieder bei mir. Wie geht's dir?"

    Am Tag des Evaluationstrainings (Koop mit Cold und Kata)


    Die Zielgerade. Gleich würde das Evaluationstraining abgeschlossen sein, doch Adaeze war sich ziemlich sicher, dass diese letzte Station es noch einmal ordentlich in sich haben würde. Sie behielt ein gemächliches, energiesparendes Tempo bei, kam jedoch bald in Sicht des letzten Trainingsgeländes. Adaeze verringerte ihr Tempo und kam schließlich zum Stehen. Das war… nun, es wirkte, als wäre dieser Parcours geradewegs aus einem Actionfilm oder -spiel gezogen worden.

    Sie wünschte sich ein Fernglas, doch auch so konnte sie den Kurs zumindest teilweise einsehen. Während sie das vor ihr liegende Feld beobachtete, wartete sie gleichzeitig auf Alva, die sicher nicht weit hinter ihr war.


    Adaeze brauchte nicht wirklich zu warten, da sie kaum, dass sie die letzte Station mit Blicken überflogen hatte, bereits Alvas Keuchen hinter sich hören konnte.

    Der Rotschopf war die Strecke zwischen den letzten beiden Stationen tatsächlich vollständig gesprintet um ihren Frust und Ärger abzubauen, welcher sie bei der sadistischen Kartenstapelaufgabe angesprungen hatte.

    "Sag bloß", japste sie neben Adaeze angelangt, beugte sich leicht vor, die Hände in die Seiten gestemmt um besser Atmen zu können "du hast auf mich gewartet?"

    Ein freches Grinsen drängte sich auf ihr Gesicht, verblasste jedoch schnell, als sie die vor ihnen liegende Fläche wahrnahm.

    "Dreck!" Stieß sie hervor, nahm mehrere kontrollierte, tiefe Atemzüge, woraufhin sich ihre Atmung schnell merklich beruhigte. "Das ist jetzt nicht deren Ernst?"

    Unbewusst, durch viele Trainingseinheiten in Fleisch und Blut übergegangen, begann sie leicht auf den Zehenballen zu wippen, um die Beinmuskulatur nach dem langen Sprint zu lockern und entspannen, soweit das im Moment möglich war.


    "Sag bloß, du bist die ganze Strecke gesprintet?", erwiderte Adaeze, wirkte dabei jedoch nicht wirklich ungläubig. Natürlich war Alva die ganze Strecke gesprintet. Adaeze wandte ihre Aufmerksamkeit nun auch wieder der letzten Station zu.

    "Anscheinend schon", überlegte sie laut. "Natürlich gibt es auch noch den leichten Weg raus." Sie nickte zu dem großen Tor, doch ihre Körperhaltung machte ziemlich deutlich, dass sie es nicht wirklich als Option ansah.

    "Was meinst du, was die damit bezwecken wollen?"


    "Habe mir sagen lassen Sport sei gesund. Dachte ich versuchs einfach mal." Schmunzelte sie und beäugte die letzte Station ausgiebig.

    "Hm." Meinte sie nach einigen Augenblicken unbestimmt. "Vielleicht wollen sie sehen wer eine unmöglich erscheinende Herausforderung annehmen kann ohne zu kneifen... oder sie wollen sehen, wer sich selbst realistisch einschätzen kann und nicht unnötig gegen Windmühlenflügel ankämpft, sondern sich seine Kräfte für etwas sinnvolleres aufspart."

    Alva seufzte leise.

    "Andererseits ist das hier ein Evaluationstraining und das Schlimmste was passieren könnte sind ein paar blaue Flecken und vielleicht einzwei Brüche. Also warum aufgeben und es nicht einmal versuchen?" Sie zwinkerte Adaeze herausfordernd zu. "Und für uns beide müsste das doch machbar sein, nicht wahr?"


    "Hm", machte Adaeze nachdenklich. Alvas Einschätzung erschien ihr ziemlich einleuchtend. Auf dem ersten Blick wirkte die Station unlösbar, doch irgendeinem Zweck musste sie ja dienen.

    "Also gut." Sie grinste, doch in ihrem Kopf arbeitete es bereits. "Wir haben keine Deckung und bei weitem nicht genug Feuerkraft, um diese Bunker auszuschalten. Sollen wir also einfach unser Glück versuchen?"


    "Schnell sein, Haken schlagen und Glück haben. Klingt machbar. Vielleicht nicht gerade beim ersten Versuch, aber machbar." Erwiderte sie und begann damit sich etwas zu dehnen um die beanspruchte Muskulatur zu lockern und vielleicht das letzte Quäntchen benötigter Energie hervor zu locken um diese Station zu überstehen.

    Schwieriges Gelände, keine Deckung und feindlicher Beschuss.

    "Sollen wir nacheinander oder wollen wir es mal zusammen versuchen, damit sich die Bots zwischen uns entscheiden müssen?"


    Auch Adaeze lockerte sich nun ebenfalls. Ihr Körper protestierte mittlerweile ziemlich eindeutig, doch sie ignorierte ihn.

    "Ich würde sagen zusammen, das sollte unsere Chancen erhöhen."


    Alva schmunzelte und nickte.

    "Gut, auf dein Kommando." Stimmte sie zu, schüttelte ihre Glieder nach dem Dehnen noch etwas aus, was zwar lächerlich wirken mochte, doch war es auf Welten mit erhöhter Schwerkraft ein bekannter Anblick. Es sah zwar aus wie der Fehlschlag eines Tanzversuches, verzögerte aber das Auftreten von Gelenkschmerzen bei den Bewohnern jeden Tag deutlich im Vergleich zu Menschen, die sich nicht "schüttelten".

    Nach ihrem Hoch-g-Tanz, peilte die Soldatin noch einmal über die Fläche vor ihnen und ging dann am Rand runter in die Startstellung die Sprinter so gerne auf Tartanbahnen mit Startklötzen verwendeten. Bereit für Adaezes Startsignal.


    "Ha, alles klar." Adaeze beendete ihre Dehnübungen ebenfalls und ließ sich dann unweit von Alva in eine ähnliche Startposition sinken.

    "Bereit? Los!" Sie stürmte los und begann nach wenigen Metern Haken zu schlagen.


    Bei Adaezes Startsignal stemmte Alva die Füße gegen den Boden und katapultierte sich regelrecht vorwärts.

    Allerdings schlug sie keine echten Haken, sondern verlegte sich im Sprint in möglichst unregelmäßigen Abständen darauf einen oder mehrere diagonale Ausfallschritte um ihre Vorwärtsbewegung kurz verlangsamen zu können ohne wirklich an Geschwindigkeit einzubüßen.


    Kommandantin Beeboop wusste zu dieser Uhrzeit noch nicht, dass ihr heutiger Arbeitstag sehr nervenaufreibend sein würde. Wer hätte auch ahnen können, dass unter diesen hundert Rekruten ein so großer Anteil mittelmäßig bekloppt war?

    Nun gut. Zum Aufwärmen gab es für den „Bountyhunter from outta space“-Squad zwei Soldatinnen, die wohl meinten, sie könnten mit Agilität alleine die Distanz überwinden. Lustig! Denn sie waren noch nicht einmal beim knietiefen Morast angekommen, der sie sicherlich verlangsamen würde. Einzelne Scharfschützenroboter nahmen aus ihren gesicherten Stellungen die Beiden ins Visier und feuerten los.

    Für Maschinengewehrfeuer oder gar Schockgranaten waren sie leider noch zu weit entfernt.


    Es wurde auf sie geschossen. Das war reiner Wahnsinn! Adaeze warf sich zu Boden, rollte sich ab, kam wieder auf die Füße und wiederholte das ganze noch einmal, in der Hoffnung den Schüssen somit zu entgehen. Deckung war nicht in Sicht und sie hatte keine Ahnung, wie lange sie das durchhalten würde.


    Alva war anfangs verunsichert, als der erwartete Beschuss ausblieb. Als dieser dann doch einsetzte war es fast schon beruhigend... wenn man davon absah, dass sie beschossen wurden.

    Es war ein irrsinniges Gefühl so völlig ohne Deckung durch den Beschuss zu sprinten. Im Gegensatz zu Adaeze zog sie eine luftigere Ausweichmethode vor, vergrößerte erst ihre Schrittweite und setzte dann auf unregelmäßige hohe und vor allem weite Sprünge um möglichst viel Distanz auf diesem Präsentierteller zu machen.


    Kommandantin Beeboop war erstaunt, dass die beiden Rekrutinnen ihren Schützinnen noch nicht zum Opfer gefallen waren. Sie konnten schließlich nicht ewig den Schockbolzen ausweichen, oder etwa doch? Das vor den Beiden liegende Schlammbecken, ein Ort, an den sich normalerweise lediglich das gemeine Schwein zum Suhlen hin verirrte, würde dem hoffentlich bald Abhilfe schaffen. Denn nach dieser unnötigen und lästigen Aufgabe - es erinnerte die Kommandantin an Tontaubenschießen - könnte sie sich endlich wieder den wichtigen Dingen des Lebens widmen, wie beispielsweise das interne Pingpongturnier ihrer Mannschaft. Es galt schließlich einen Titel zu verteidigen.


    Wie sie es bis hierher geschafft hatte, ohne abgeschossen zu werden, war Adaeze selbst nicht wirklich klar. Sie bekam auch kaum mit, wie Alva dem Beschuss auf gänzlich andere Weise auswich, zu sehr war sie mit sich selbst beschäftigt. Das Schlammbecken raste nun auf sie zu und Adaeze hatte keine Strategie mehr dafür übrig. So warf sie sich einfach mit Schwung hinein und hoffte darauf, dass sie schnell genug hindurch robben konnte.


    Das Schlammbecken! Da war es! Wie sie es bis dorthin geschafft hatte wusste sie selbst nicht so genau.

    Alles was Alva nun noch sah war das letzte Stück direkt vor dem glitschigen Unvergnügen.

    So darauf bedacht Distanz zu machen, verzichtete sie übergangslos wieder auf Ausweichbewegungen und beschleunigte noch einmal, während der Beschuss der Drohnen wieder unweigerlich näher kam.

    In höchster Konzentration ging sie vom Sprint in den Dreisprung über, wie er bei Weitsprüngen in Sportveranstaltungen Anwendung fand. Drei Sprünge direkt hintereinander ohne zu verlangsamen, wobei jeder Sprung höher und weiter wurde. Beim letzten Sprung stieß sie sich nur wenige Schritt vor dem schlammigen Untergrund vom Boden ab, verwendete die gesamte Spannkraft ihres Körpers und warf auf dem Höhepunkt ihrer Flugbahn Arme und Beine nach vorne.

    Sie wusste nicht, wie sie sich nach der Landung verhalten sollte, wie sie weiter dem Beschuss ausweichen konnte in diesem Schlammbecken ohne Deckung. Alles was jetzt wichtig war, war der Flug, die Körperspannung und der Versuch sich bei der Landung nicht die Knöchel zu verstauchen.


    Kommandantin Beeboops Taktikroutinen liefen noch auf Sparflamme. Bei zwei Rekrutinnen waren die möglichen Szenarien vergleichsweise einfach, es waren keine komplexen Berechnungen erforderlich wie beispielsweise bei einem Ansturm von 50 Wagemutigen. So gab sie den beiden mit Maschinengewehren ausgerüsteten Robotern im Bunker, welche dem morastigen Becken am Nächsten waren, den Feuerbefehl.

    „Unsere Raison d‘Être ist eure Vernichtung“, piepste Beeboop ehrfurchtgebietend in Binärcode Alva und Adaeze entgegen, als ein Elektrobolzenhagel über sie hereinbrach.


    Es war wohl von Anfang an aussichtslos gewesen. Adaeze konnte das Gepiepse des Roboters nicht entziffern, doch die Elektrobolzen sprachen ihre ganz eigene Sprache - vor allem eine des Schmerzes. Mit ihrem letzter halbwegs klaren Gedanke, bevor sie durch den Schock kurzzeitig das Bewusstsein verlor, überlegte sie, dass sie besser dran gewesen wäre diese letzte Station einfach auszulassen...


    Es gab keine aussichtslose Situation, ehe nicht alles gelaufen war.

    Alva klatschte, die Hacken voran, in den weichen Morast und schlitterte unter den ersten Elektrobolzen des Sperrfeuers hindurch. Noch in der Bewegung warf sie sich herum um die Beine wieder unter den Körper zu bekommen und... bekam eine volle Breitseite der beiden MG-Nester in den Torso. Mit einem merkwürdig gequetschten Geräusch entwich die Luft aus ihren Lungen, als sich ihr Körper verkrampfte und die Soldatin in sich zusammen sackte, als die Schockladungen ihr die Lichter ausknipsten.

    Bewusstlos aber noch immer halb aufgerichtet steckte sie im Schlammbecken, mit Elektrobolzen gespickt wie ein Mettigel mit Salzstangen.


    Alva und Adaeze wurden von ein paar Rettungsrobotern zurück an die Startbahn befördert. Ob sie es erneut probieren würden? Oder würden sie es gut sein lassen und das Evaluationstraining beenden? Beeboop hoffte Zweiteres, war sie doch gedanklich bereits wieder mit der Zusammenstellung der idealen Strategie für das kommende Pingpongturnier beschäftigt.


    Als Adaeze wieder zu sich kam, befand sie sich erneut am Anfang der unmöglichen letzten Station. Ihr ganzer Körper schmerzte und so brauchte es einige Zeit, bevor sie sich auf die Unterarme stützen und zur Seite drehen konnte, wo Alva lag. Gut, dann hatte sie zumindest nicht als einzige versagt. Kurz blickte sie zu der Hindernisstrecke, doch ihr Körper protestierte bereits lautstark. Mit einem kraftlosen Grunzen rollte sie sich auf den Rücken.

    "Ich bin raus", gab sie nach einer Minute der Stille durch zusammengepresste Zähne zu. "Wie sieht's bei dir aus?"


    Ein schmerzerfülltes Stöhnen war die Antwort. Mühsam hoben sich Alvas Lider ein wenig und mit unbehaglichen Lauten bewegte sie den Kopf hin und her, bis Adaeze in ihren Blick kam.

    "Bei dem Gelände wird noch ein Versuch nicht besser." Murmelte sie undeutlich und räusperte sich angestrengt. Diese verdammten Elektrobolzen!

    "Ich will was trinken... und ne Massage..." Mit noch nicht ganz gehorsamen Muskeln, die dafür um so mehr schmerzten begann sie sich linkisch hoch zu stemmen.


    "Ja zu beidem", erwiderte Adaeze. Sie sog scharf die Luft ein und stemmte sich dann halb vom Boden, hielt einen Moment inne und hievte sich schließlich gänzlich auf die Füße, um mit Alva gemeinsam das Feld zu verlassen.


    Heute


    Adaeze presste die Kiefer so fest zusammen, dass ihre Muskeln schmerzten. Eine Falle. Es war eine gottverschissene Falle gewesen und Alva und sie waren geradewegs hineingelaufen. Wie lächerliche, dumme Anfängerinnen!

    Vollkommen egal, wie gut ihre restlichen Punkte oder ihre Gesamtpunktzahl war, Adaeze konnte das Training nur als Niederlage werten. Schon meinte sie, das altbekannte Flüstern hinter sich zu hören. Nur 3 Punkte für Adaeze Ejiofor? War sie letzten Endes doch nur hier, weil ihr Vater ein hohes Tier im Militär gewesen war? Stimmten die Gerüchte etwa, dass sie mit ihren alten AusbilderInnen geschlafen hatte, um gute Bewertungen zu erhalten? War sie am Ende nur gewöhnliches Kanonenfutter?

    Nein. Adaeze ballte die Hand zur Faust. Gut, dann hatte sie sich in diesem Training blamiert. Das würde ihr einer, einziger Fehler an der Akademie bleiben.


    Gerade wollte Kimiko auf Sidars Frage antworten, da setzte sich jemand neben ihn und sprach ihn an. Etwas verwundert erwiderte Kimiko das Winken, musste ihre Aufmerksamkeit dann jedoch nach vorne richten, da das Seminar begann. Aufmerksam verfolgte sie die genauen Ausführungen zum M.A.S.T.E.R.-System und hoffte, dass sie vor allen Dingen im Punkt Accuracy gut abgeschnitten hatte. Bei Espinosas Worten war sie mehr als froh, dass sie und Reo sich dazu entschlossen hatten, die letzte Etappe zu überspringen. Dann lehnte sie sich etwas weiter vor, um ihre Ergebnisse zu betrachten.

    Das war… nun ja, wirklich gut sah anders aus. Sie musste ihre Leistungen auf jeden Fall noch deutlich verbessern, doch immerhin hatte sie für dieses Training die höchste Punktzahl für Accuracy erhalten, was sie mehr als freute.

    „Keine Sorge“, sagte sie an Sidar gewandt und versuchte so aufbauend wie möglich zu klingen. „Das ist doch nur das erste Training gewesen. Jetzt weißt du, was die Kriterien sind und kannst entsprechend trainieren.“


    Alvarez war indes soweit es ging in seinem Sitz zurück gerutscht. Am liebsten wäre er gleich im Boden versunken, bei der Punktzahl. Vor allen Dingen bei Endurance hatte er so mies abgeschnitten – dabei brauchte er diese Kategorie am meisten, wenn er doch Pilot werden wollte!

    Nun, keine Antwort war auch eine Antwort, doch im Grunde hatte Maddie auch nicht damit gerechnet, dass er diese Pläne mit ihnen teilen würde.

    „Na dann“, sagte sie schlicht und gab ihrem Vater zu verstehen, dass sie keine Fragen mehr hatte. Dieser nickte Gergios einmal grimmig zu, bevor er mit seiner Tochter zusammen zurück zu Val ging, um den restlichen Flug abzusitzen.


    Etwas zog sich in Avis zusammen, als Jonathan Montréal erwähnte. Ausgerechnet Montréal. Ihre Hand wanderte erneut zu Darks und drückte fest zu. Auf Jonathans Worte erwiderte sie jedoch nichts. Es war nicht Sean, es konnte nicht Sean sein, das wusste sie genau.

    Doch etwas sagte ihr, dass sie Sean vielleicht trotzdem schon bald wiedersehen würde…

    "Ha, Spielverderber", erwiderte Lxy, grinste jedoch weiterhin. Dieser Streit mochte aufgelöst worden sein, doch in dieser Runde würde es noch genug Konfliktpotential geben, das spürte sie genau.

    "Na dann eben beim nächsten Mal."

    Damit zog sie sich in ihr Zimmer zurück.

    Die beiden Hünen lachten, als Sammy vor ihnen wegrannte. Sie verfolgten sie, machten sich dabei jedoch nicht einmal die Mühe zu rennen, sondern schlenderten lediglich entspannt hinter ihr her. Erst als Sammy ihre Warnung rief, setzten die beiden zu einem übernatürlich schnellen Sprint an, sie hatten die junge Frau beinahe erreicht, als diese gerade ihren letzten Satz zu Ende gebracht hatte, einer von ihnen zog bereits die Faust zum Schlag zurück…

    Ein Schatten schoss an Sammy vorbei und auf die beiden Männer zu. Einer von ihnen ging sofort zu Boden, der andere wurde plötzlich mit Wucht gegen die Wand gedrückt. Sarames Hand hatte sich fest um seine Kehle gelegt und sie hob ihn tatsächlich ein paar Zentimeter vom Boden ab.

    „Zurück in die Turnhalle, schnell“, befahl sie Sammy, doch in diesem Moment erklang auch aus dieser Richtung das Geräusch von klirrendem Glas und Schreien.

    „Oh nein.“ Sarame wandte sich zur Turnhalle um, während der Hüne bewusstlos zu Boden ging. „Sie sind hier… Schnell, wir müssen alle hier raus bringen!“

    In der Turnhalle herrschte das reine Chaos. Eine Gruppe der übernatürlichen Wesen waren durch einige der Fenster eingedrungen und kämpften bereits gegen ihre Geschwister, andere Griffen die Bewohner Selvertons an. Menschen gingen zu Boden, einige standen nicht wieder auf.

    „Die Fluchtwege!“, rief Sarame Sammy zu. „Ihr müsst verschwinden, schnell! Wir halten sie auf!“


    Gewaltsam wurden sie weiter durch diese unwirkliche Landschaft gezogen. Andys Füße berührten kaum den Boden, doch das Wesen, das sie gepackt hielt, zeigte keinerlei Zeichen der Anstrengung. Immer wieder versuchte sie den Kopf in Charlies Richtung zu wenden, doch das Wesen hielt sie so, dass sie ihn nicht richtig sehen konnte. Lebte er noch? Wo brachte man sie hin?

    Sartera lief ihnen voran, das Messer in Saroms Seite gepresst. Vor ihnen tauchte nun so etwas wie ein Wald auf, doch wie alles in diesem seltsamen Reich ähnelte er keinem Wald der Erde. Das Licht der halb verdeckten Sonne wurde durch die eigentümlichen Bäume fast vollständig blockiert, sodass sie einen Moment in Dunkelheit liefen, dann traten sie auf eine Lichtung und Helligkeit stach in Andys Augen. Das Wesen, das sie gehalten hatte, ließ sie unvermittelt los und Andy fiel zu Boden, konnte gerade noch die Hände austrecken, um sich abzufangen und dann ihre Augen vor dem Licht zu schützen.

    „Schwester!“, rief Sartera. „Schau, wen ich dir zum Spielen mitgebracht habe.“

    Vorsichtig nahm Andy die Hände vom Gesicht, blinzelte ein paar Mal und nahm die Szene, die sich nun vor ihr abspielte, ungläubig auf.

    In der Mitte der der Lichtung war eine Picknickdecke ausgebreitet worden. Darauf ausgebreitet war ein komplettes Teeservice, wie man es einem Kind zum Spielen geben würde, ein altertümlicher Korb, aus dem Essen hervorquoll, und ein großer Kuchen mit zartrosa Zuckerguss. Ein kleines Mädchen saß auf dieser Decke. Sie trug ein dunkelgrünes, altmodisch wirkendes Kleid und eine Schleife der gleichen Farbe in ihrem schwarzen Haar. Auf ihrem Schoß hielt sie einen Teddybären, der fast genau so groß war, wie sie selbst. Als Sartera sie ansprach, blickte sie zu den Neuankömmlingen empor und Andy sah, dass ihre Augen vollständig schwarz waren. Sie grinste und dieses Grinsen ließ Andys Blut in ihren Adern gefrieren. Egal wie sie aussehen mochte – das war kein Kind.

    „Oh, Mr. Cuddley!“, rief sie vergnügt und drückte den Teddy noch enger an sich. „Sieh nur, wie viele neue Freunde gekommen sind! Ist das nicht toll? Ist das nicht toll, Miss Maya?“

    „Maya“, hauchte Andy. Sie saß dem Kind gegenüber und hielt einer der Teetassen, die in ihren Händen lächerlich klein wirkte. „Maya!“, schrie Andy und versuchte zu ihr zu laufen, doch man hielt sie zurück. Etwas stimmte mit Maya nicht. Sie saß stocksteif mit geradem Rücken, den Blick starr und leer in die Ferne gerichtet, die Tasse auf halbem Weg zwischen Decke und Mund erstarrt.

    „Ist das nicht toll, Miss Maya?“, fragte das Kind erneut nachdrücklich. Maya nickte steif, ihr Blick immer noch leer.

    „Das ist es, Lory.“

    Lory… Dann war das also Sarlory.

    „Tera ist wirklich die beste große Schwester, die man sich wünschen kann“, rief Sarlory erfreut und klatschte in die Hände, bevor sie Andy, Sarom und Charlie betrachtete.

    „Alsoooo, mit wem fangen wir an?“

    „Wie wäre es mit diesem hier?“, fragte Sartera und trat Charlie mit der Fußspitze an. Er lag bäuchlings auf dem Boden, das Messer steckte noch immer in seinem Rücken, doch Andy konnte ihn flach atmen sehen. Sarom sträubte sich derweil gegen den Griff seiner Schwester.

    „Ihr müsst das nicht tun!“, rief er verzweifelt. „Lory, Tera… Maya!“

    Doch keine der drei beachtete ihn. Sarlory hatte Charlie ins Auge gefasst und nickte nun, erneut mit diesem bösartigen Grinsen im Gesicht.

    „Oh ja, das sieht nach Spaß aus.“ Sie nickte einem ihrer Brüder zu, der nun auf Charlie zutrat, das Messer in seinem Rücken packte und es noch tiefer in seinen Körper trieb. Charlie schrie auf und auch Andy merkte, wie ein Schrei ihren Lippen entfloh.

    „Hört auf! Hört doch auf damit!“, kreischte sie, doch im nächsten Moment traf sie etwas Schweres am Kopf. Kurz sah sie Sterne, während Schmerz ihre Gedanken füllte. Sie musste auf dem Boden aufgeschlagen sein, denn Gras presste sich gegen ihre Stirn. Dann erneut Schmerz, als jemand sie in den Bauch trat. Keuchend versuchte sie sich daran zu erinnern, wie man atmete, während die Wesen weiterhin Charlie malträtierten.

    „Hört auf“, brachte sie ein weiteres Mal schwach hervor. „Maya… Maya!“ Sie starrte zu ihrer Freundin, die sich immer noch nicht regte. Ihr Blick war weiterhin stur geradeaus gerichtet, doch Andy meinte, dass sie Tränen in ihren Augenwinkeln sah – und die Hand, die die Teetasse hielt, begann eindeutig zu zittern.

    „Maya!“, rief sie noch einmal und kassierte dafür weitere Tritte.

    „Das reicht“, sagte Sarlory schließlich und sogleich ließ man von ihr ab. Andy schmeckte Blut und wagte es kaum, sich zu bewegen.

    „Die Menschen sind langweilig“, entschied Sarlory. „Ich habe eine viel bessere Idee.“

    Sie gab ein Zeichen und Tera trat mit Sarom vor, stieß ihn heftig in den Rücken und katapultierte ihn sie auf Hände und knie vor die Picknickdecke.

    „Schau, wen wir hier haben, Miss Maya“, sagte Lory freudig. „Erinnerst du dich an deinen Bruder? Deinen Zwilling? Er hat dich uns weggenommen, weißt du das noch? Weißt du das noch, Tera?“

    „Ich erinnere mich genau, Lory“, bestätigte Sartera mit einem boshaften Grinsen. „Ist das nicht frech? Ich finde, das sollte bestraft werden.“

    „Oh ja!“, rief Lory und klatschte erneut in die Hände. Sartera hielt bereits ihr Messer hoch, doch Sarlory streckte eine Hand aus.

    „Nein. Ich übernehme das, Tera.“

    Sartera ließ das Messer sinken und trat einen Schritt zurück. Sarlory lächelte Maya an.

    „Schau jetzt genau hin, Miss Maya. Du sollst doch nichts verpassen.“

    Wie als würde sie von Geisterhand gesteuert, drehte sich Mayas Kopf in Saroms Richtung, doch ihre Augen blieben weiterhin leer. Sarom starrte seinen Zwilling an.

    „Maya, du…“, begann er, doch dann hob Sarlory erneut ihre Hand und was auch immer sie tat, ließ Sarom vor Schmerz aufschreien, während sein ganzer Körper sind wand und krümmte. Der Schmerzensschrei spitzte sich immer weiter zu, wurde zu etwas Unmenschlichem. Sarom Haut begann aufzuplatzen, Blut strömte aus seinen Wunden. Andy wollte die Augen davor verschließen, doch sie konnte sich nicht rühren.

    „Maya“, brachte Sarom zwischen seinen Schreien hervor. „Maya!“

    „Aufhören.“ Die Worte waren kaum hörbar über Mayas Lippen gekommen, doch sie hatte sie definitiv gesagt. Noch immer saß sie stocksteif, die Teetasse in ihrer Hand, doch etwas war in ihre Augen zurückgekehrt. Mit allergrößter Anstrengung öffnete sie den Mund erneut und sprach, dieses Mal deutlich lauter: „Aufhören, sofort!“

    Sarlory war einen Moment so überrascht von diesem Protest, dass sie in Saroms Folter innehielt. Dann zogen sich ihre Brauen ungehalten zusammen.

    „Du wagst es?“ Sie setzte fort und Sarom schrie nun noch lauter.

    „Aufhören!“, schrie Maya nun, Verzweiflung und Wut in ihrer Stimme. „Hör auf Lory, hör auf! Er ist doch auch dein Bruder, er ist dein Bruder!“ Die Teetasse fiel aus ihrer Hand und landete dumpf auf der Picknickdecke. Zentimeter um Zentimeter hatte Maya den Kopf gewandt, um Sarlory anzusehen.

    „Wie kannst du deinem Bruder so etwas antun?!“

    „Bleib gefälligst still!“, schrie Sarlory zurück und richtete die Hand nun gegen Maya, doch diese riss ihren eigenen Arm hoch und blockierte was auch immer Sarlory ihr entgegen schleuderte.

    „Nein“, sagte sie entschlossen und begann langsam, sich zu erheben.

    „Das darfst du nicht!“, schrie Sarlory und sprang auf die Füße. Sartera und die anderen Wesen machten sich zum Angriff bereit, doch nun war es an Maya, diese seltsame Kraft zu wirken. Sie streckte eine Hand aus und fegte Sartera, Salory und die anderen scheinbar mühelos zur Seite. Auf Händen und knien kroch sie danach auf Sarom zu und schloss diesen kurz in ihre Arme.

    „Sarom? Bruder, bleib bei mir.“ Saroms Augen blieben geschlossen, doch er atmete noch. Erleichtert blickte Maya nun zu Andy und Charlie. Erneut füllten Tränen ihre Augen. „Wie geht es euch?“

    „Es wird schon“, erwiderte Andy, die kaum fassen konnte, was da gerade geschehen. „Aber Charlie!“, fiel es ihr nun wieder ein und sie blickte zu diesem. Auch er schien noch zu atmen, doch für wie lange, das konnte sie nicht sagen. Maya hatte sich erhoben und war auf ihn zugetreten.

    „Er wird leben“, sagte sie leise, nachdem sie eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte.

    „Aber wir müssen ihn rasch zu meiner Mutter bringen.“ Etwas schien ihr in diesem Moment einzufallen und sie wandte den Kopf rasch zum Himmel.

    „Die Sonnenfinsternis!“ Tatsächlich war die Sonne nun fast vollständig verdeckt. Während Andy und Maya gen Himmel blickten, hatte Sarlory sich hinter ihnen erneut aufgerichtet und stampfte nun ungehalten mit dem Fuß auf.

    „Das. Ist. Nicht. Fair! Miss Maya spielt nicht nach den Regeln. Sie schummelt! Paaaapaaaa! Miss Maya schummelt!!“

    „Papa“, wiederholten Andy und Maya gleichzeitig und sahen sich mit schreckgeweiteten Augen an, dann drehten sie sich beide um, als sie Schritte hörten die, die sich der Lichtung näherten.

    „Oh nein“, brachte Andy hervor, während Maya ein einziges, grauenerfülltes Wort hauchte:

    „Vater.“

    Während Kala den anderen Schutzsuchenden Bescheid gab, hielten Anagor und Sardala sich am Rand der kleinen Siedlung auf. Kassaia war damit beschäftigt, etwaige Befehle in der krächzenden Sprache der Harpyien zu erteilen. Zwei von ihnen betrachteten Anagor und Sardala wachsam, doch nicht unbedingt ablehnend – zumindest meinte Anagor, ihren Gesichtsausdruck richtig zu deuten.

    Nach einiger Zeit kehrte Kala zurück. Mit ihr kamen Gideon und Geisterstern, die beide kurz von Anagor begrüßt wurden, doch für mehr blieb keine Zeit. Hinter Kala hatte sich auch eine Handvoll Menschen versammelt, der jüngste von ihnen ein Junge von vielleicht acht Jahren. Einzig ein alter Mann und ein junges Mädchen schlossen sich nicht der Gruppe an, die den Wald verlassen wollte.

    „Ich habe mein ganzes Leben in Aichheim verbracht“, erklärte der alte Mann, als Kala ihn ein letztes Mal darauf ansprach. „Ich bin hier geboren und hier werde ich auch sterben. Macht euch keine Sorgen um mich.“

    „Ich muss bei Nell bleiben“, erklärte das Mädchen. „Bis sie wieder gänzlich gesund ist. Was danach geschehen wird… ich weiß es noch nicht.“ Ihr Entschluss war gefestigt, und so nickte Kala bloß und wandte sich als letztes an Kassaia, die auf einem niedrigen Ast vor ihr gelandet war.

    „Ich weiß nicht, wie wir euch jemals danken können“, sagte sie ernst. „Wir alle. Wenn ihr nicht gewesen wäret…“ Ihre Stimme stockte. Kassaia stieß ein leises Krächzen aus und raschelte mit den Federn. Kala trat einen Schritt vor und Frau und Harpyie legten die Stirn aneinander, Kassaia breitete kurz die Flügel um Kala aus.

    „Auf dass der Wind euch weit fort von hier tragen wird“, sagte sie, nachdem die beiden sich voneinander gelöst hatten. „Wir werden euch nie vergessen.“

    „Und wir euch“, erwiderte Kala. Kassaia fasste Anagor nun ein letztes Mal scharf ins Auge.

    „Passt gut auf sie auf.“

    „Das werden wir.“ Anagor verbeugte sich tief vor der Harpyie, dann bedeutete er die Gruppe, ihm zu folgen.

    „Wir müssen uns beeilen, damit wir den Schutz der Dunkelheit nutzen können“, erklärte er, während sie durch den Wald liefen. „Und dabei leise genug sein, um das Dorf nicht zu alarmieren. Sardala,“, sein Blick wanderte zu dem Wesen, „es wäre gut, wenn du vorläufst und den Weg zurück zur Kari Ann für uns im Auge behältst. Geisterstern kann dich begleiten.“


    „Nicht unbedingt“, erwiderte Frida leise. Im Licht der näherkommenden Fackeln war der Hass auf ihrem Gesicht deutlich zu sehen. „Hana, du bleibst hier“, befahl sie ihrer Schwester, bevor sie den Dorfbewohnern fest entschlossen entgegen trat.

    Wie sie es vermutet hatte, wurde die Gruppe von Markes angeführt.

    „Wer geht da?“, rief dieser nun und dann, einen Moment später: „Oh, du bist es.“

    „Ich“, erwiderte Frida bloß.

    „Aus dem Weg, Kräuterhexe“, befahl Markes unwirsch. „Wir sind auf dem Weg in den Wald, um das Harpyien-Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.“

    „Ich dachte, dafür hättet ihr bereits Hilfe erhalten?“

    „Wir brauchen keine Hilfe von Außenstehenden“, erwiderte Markes missbilligend. Offensichtlich hatte er Orion und Shethiri noch nicht bemerkt. „Und nun geh zur Seite!“

    Besorgt wachte Tan über Liana. Zwar war sie immer noch bewusstlos, doch bewegte sie sich ab und zu, nuschelte seinen Namen und schien dabei beinahe zu erwachsen, bevor sie erneut erschlaffte. Nicht einmal angesichts des Dämonenangriffs hatte er sich so hilflos gefühlt, wie in diesem Moment.

    Die Frage der Menschenfrau riss ihn aus seinen verzweifelten Gedanken. Er räusperte sich und sagte zögerlich:

    „Mein Name ist Tan… Wir sind bloß einfache Reisende.“

    Rasch setzte er hinzu:

    „Ich möchte mich noch einmal für deine Hilfe bedanken. Was ist dein Name?“


    „Ja.“ Kiv nickte Meleas zu und sah sich dann um. Sie waren in einer engen dunklen Gasse, doch wirklich versteckt waren sie nicht.

    „Ihr kennt Euch in dieser Stadt aus, nicht wahr?“, fragte sie an den Menschen gewandt. „Kennt Ihr ein gutes Versteck in der Nähe?“

    „Gut.“ Immerhin darum würden sie sich keine Sorgen machen müssen. Adrian erwiderte Gerios Lächeln nicht.

    „Wir sind keine Monster. Was wir getan haben, diente vor allem unserem eigenen Schutz, nicht unserem Vergnügen. Alles was wir wollten, war ein ruhiges Leben in Frieden.“

    Dieses Leben hatten sie sich gemeinsam aufgebaut, für sich selbst und für ihre Tochter. Und nun war eben dieses ruhige Leben erneut aus seiner Bahn geworfen worden. Er hatte keine Ahnung, ob sie je wieder dorthin zurückfinden würden. Das wichtigste war jetzt, dass sie zusammen und in Sicherheit blieben.

    „Ich denke, damit ist alles gesagt.“ Er wandte sich an Maddie. „Hast du noch eine Frage?“

    Die junge Frau überlegte kurz, dann sagte sie:

    „Sie haben gesagt, dass Sean aufgehalten werden muss, wenn er wirklich hinter den Angriffen steckt. Wie genau haben Sie das vor?“ Sie hob die Schultern. „Hat ja beim letzten Mal anscheinend auch nicht funktioniert.“


    Gerade hatte Avis sich ihren Rucksack aufsetzen wollen, da fiel ihr etwas ein.

    „Ich gehe nur noch einmal kurz nach oben“, sagte sie zu ihrem Mann und sah ihn dabei eindringlich an. Es gab eine ganz bestimmte Sache, die sie mitnehmen wollte.

    In ihrem Schlafzimmer angekommen, zog Avis eine Schublade unter dem Bett hervor und holte eine kleine Kiste heraus, in der Seans Brief und sein altes Pilotenabzeichen lagen. Beides steckte sie in ihren Rucksack. Sie hatte immer noch nicht die Absicht, Jonathan von dem Brief zu erzählen, aber ebenso wenig wollte sie ihn hier zurücklassen, für den Fall, dass das Haus nach ihrer Abreise durchsucht wurde. Als nächstes wandte sie sich zum Kleiderschrank und öffnete diesen. Aus einem der oberen Fächer entnahm sie die Unterarmschienen, die sie manchmal immer noch nutzte, um ihre Arme vor Vogelkrallen zu schützen. Daneben befand sich ein kleiner Safe, den sie nun entriegelte und ihre Pistole herausnahm.

    Sicher war sicher.

    Nachdem auch diese Gegenstände verstaut waren, lief sie eilig zurück nach unten, ohne sich groß darum zu kümmern, aufzuräumen. Wer konnte schon wissen, wann sie in dieses Haus zurückkehren würden…

    „Ich bin bereit“, gab sie Dark und Jonathan zu verstehen.

    Mit großen Augen betrachtete Tan das Wesen, das nun zu ihnen trat. Das musste ein Ork sein, auch wenn er von diesen bisher nur in Erzählungen gehört hatte. Ganz wohl war ihm bei dieser Sache nicht, doch er hatte keine Zeit für Zweifel und keine Alternativen.

    Er rückte Liana in seinen Armen zurecht und stellte auffällig sicher, dass ihr Gesicht durch ihre Kapuze verdeckt war, dann eilte er der Menschenfrau hinterher. Rasch hatte er in den engen Gassen der Stadt die Orientierung verloren. Seine Gedanken kehrten zu seiner Schwester zurück. Hoffentlich würden sie beide unbeschadet aus dieser Sache herauskommen.

    Am Wirtshaus angekommen, trat er unsicher ein und sah sich um.

    „Ich danke Euch“, sagte er noch einmal zu der Wirtin und legte Liana vorsichtig auf dem Bett ab. Sie war immer noch ohnmächtig, doch mit dem Menschen und dem Ork im gleichen Zimmer, traute Tan sich nicht, in ihren Geist zu blicken. Sie blieb er schlicht neben ihr sitzen und hielt ihre Hand.


    „Ich bin unversehrt“, gab Kiv zurück und sah Prius forschend an.

    „Was ist mir Euch?“

    Darks Lippen wurden schmal, als er den ersten Bildern des Angriffes auf das Gefängnis folgte.

    Als er Avis Blick erwiderte, folgte er ihrem Nicken zur Tür und stand auf um sich mit ihr unter vier Augen unterhalten zu können.

    In einer geradezu unbewusst wirkenden Bewegung, welche keine Aufmerksamkeit erregte, da sie eine Selbstverständlichkeit ausstrahlte, faltete er im Aufstehen ihr beider Begnadigungen zwei Mal und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden, ehe er nach ihrer Hand griff. Ihre kleine heile Welt war bedroht und nach allem was sie hatten dafür durchmachen müssen, wollte er zumindest seine Liebste bei sich wissen, wo er sie hoffentlich am besten schützen konnte.


    Gemeinsam traten sie hinaus in den Garten. Avis hielt Darks Hand fest in ihrer und versuchte das Chaos ihrer Gedanken zu ordnen. Über ihnen kreisten bereits einige Vögel.

    "Ich kann das nicht glauben", sagte sie, leise genug, dass nur ihr Mann sie hören konnte. "Ich kann nicht glauben, dass das Sean sein soll."


    "Das geht mir ebenso." Murmelte Dark mit verkniffener Miene und ließ seinen Blick über den Garten und die diesen umgebenden Hecken gleiten. "Das passt vorne und hinten nicht zu ihm."

    Der Tuareg schüttelte kaum merklich den Kopf.

    "Wenn er sich dazu entschlossen hätte die Truppe abzufackeln, dann würde das nicht so geschehen... nicht so... Das muss jemand anders sein, nur wer hätte ein Interesse daran und die Fähigkeiten dazu?"


    "Und das nötige Wissen", ergänzte Avis. Sie schüttelte den Kopf.

    "Ich habe absolut keine Ahnung." Konnte es denn jemand aus der alten Truppe sein? Unwahrscheinlich, denn neben einem Motiv fehlten schlichtweg auch die Fähigkeiten. War jemand auf Rache aus? Das erschien ihr fast noch die plausibelste Erklärung, auch wenn sich hier ebenfalls die Frage der nötigen Fähigkeit stellte.

    "Was machen wir jetzt?", fragte sie ihren Mann leise.

    "Hm." Brummte Dark unbestimmt. Eine Gefahr die direkt auf ihn zu kam war das eine, damit konnte er umgehen, das konnte er sogar genießen. Aber solch eine diffuse Bedrohung wie aus einem überambitionierten Fantasyroman, das war einfach nicht seine Welt.

    "Erst mal sollten wir alles in trockene Tücher bringen, uns einen sicheren Stand suchen und herausfinden was hier verdammt nochmal los ist." Er warf einen Blick zurück ins Haus und verzog missgelaunt das Gesicht.

    "Hoffentlich finden wir schnell einen Ansatzpunkt... ich hasse es tatenlos zur warten, aber im Augenblick weiß ich nicht was wir machen können, außer erst einmal mit Jonathan zu gehen." Er sah wieder Avis an und formte lautlos, und mit etwas Missfallen, mit den Lippen: "Und Sean zu finden."


    Die unausgesprochenen Worte kamen sofort bei Avis an. Sie nickte und dachte an Seans Brief, von dem sie Jonathan garantiert nichts erzählen würde. Sie würden also erst einmal gute Miene zum bösen Spiel machen müssen, bis sie sich einen besseren Überblick über die Situation verschafft hatten und anfangen konnten, nach Sean zu suchen. Sie atmete einmal tief durch.

    "Also gut. Dann gehen wir mit ihm." Es war offensichtlich, dass sie sich anders entschieden hätte, hätten sie eine echte Wahl gehabt.

    "Denkst du, Chester und Rieke werden in Sicherheit sein?"


    Dark schenkte Avis ein sachtes Lächeln und nickte.

    "Klar, jetzt da sie gewarnt sind. Du kennst ja Chesters Hang die graue Eminenz zu spielen, da hat er schon ein halbes Leben lang Übung darin. Und Rieke ist zwar die personifizierte Abrissbirne, wenn sie will jedoch ein ebensolcher Leisetreter wie ihr Ziehvater." Seit dem Krieg damals vor zwanzig Jahren führten sie alle ständig diese überalteten Pager mit sich, welche die Notfallcodes empfangen würden für genau solche Situationen. In den wenigen Minuten die vergangen waren, seit Dark den Butler angewiesen hatte, hatte dieser bestimmt schon alle Benachrichtigt. Noch einmal Fünf Minuten und die beiden wären von der Bildfläche verschwunden, egal wo sie im Augenblick waren. Chester hatte da ganz wunderbare Evakuierungspläne ausgetüftelt, von denen nie auch nur ein einziges Wort aufgeschrieben worden war... und dass er steinreich war eröffnete bei diesen Plänen ganz eigene Möglichkeiten.

    Er deutete mit einem Kopfnicken Richtung Küche.

    "Wollen wir uns dann jetzt auch auf den Weg machen?"

    Der Butler indes hatte alle Benachrichtigt die vorgesehen waren und Avis und Darks Notfallrucksäcke für einen unverzüglichen Aufbruch aus dem unscheinbaren Besenschrank in der Eingangshalle geholt und drapierte sie gerade vor Jonathan auf dem Küchentisch. An einem der dunkelgrauen Nylonrucksäcke baumelte die metallene Gesichtsmaske, welcher der Dark Diamond in seiner Zeit als Juwelendieb getragen hatte.


    Nun, immerhin darum würden sie sich keine Gedanken machen müssen. Avis wusste natürlich, dass sowohl Chester als auch Rieke sehr gut in der Lage waren, unterzutauchen, doch Darks Einschätzung beruhigte sie trotzdem. Sie atmete noch einmal tief durch und sah sich im Garten um. Würde das das letzte Mal sein, dass sie hier standen? Nein, an so etwas durfte sie nicht denken!

    "Gut. Lass uns gehen." Sie ergriff Darks Hand und ging mit ihm zurück ins Innere des Hauses. In der Küche angekommen, fiel ihr Blick nur kurz auf die Rucksäcke, dann wandte sie sich an Jonathan.

    "Wir sind bereit."

    Anagor hatte sich schnell wieder gefasst und neigte nun leicht den Kopf.

    „Es freut mich, die Bekanntschaft der Harpyien zu machen“, sagte er, diplomatisch, aber ehrlich. „Ich habe gehört, was ihr für diese Menschen getan habt und es hat mich zutiefst bewegt.“ Er zögerte einen Moment, dann fragte er:

    „Zwei aus meiner Kompanie sind noch im Wald verblieben. Wisst ihr etwas über ihren Aufenthaltsort?“

    „Euer Heilkundiger versorgt eine der geflügelten Schwestern“, erklang Kalas Stimme und sie kam aus ihrem Zelt getreten. Als er ihren schwangeren Bauch sah, brauchte Anagor keine weitere Vorstellung.

    „Sie wurde von einer der euren attackiert.“

    Anagor wechselte einen schnellen Blick mit Sardala. Geisterstern…

    „Bitte vergebt ihr“, sagte er nun, ehrlich reuevoll. „Wir wurden unter falschem Vorwand hergelockt und hielten die Harpyien für gefährlich. Dennoch hätten wir die Lage besser auskundschaften müssen, anstatt anzugreifen.“

    „Das hättet ihr“, stimmte Kala zu. Mit etwas weicherer Stimme fügte sie hinzu: „Doch Nell wird leben.“ Ein lautes Krächzen ging durch die Reihe der Harpyien, als sie diese Neuigkeit vernahmen. Kassaia plusterte ihr Gefieder auf, dann sagte sie: „Ihr wollt versprechen, diese Menschen in Schutz zu nehmen?“

    Anagor nickte. „Ja, das will ich. Diesen Menschen ist großes Unrecht widerfahren. Das geringste, was meine Kompanie und ich für sie tun können, ist ihnen sicheres Geleit fort von Aichheim zu gewähren.“

    „Und das könnt ihr auch?“, hakte Kala nach. „Sicheres Geleit gewähren? Ihr könnt mir versprechen, dass ihr mich nicht geradewegs zurück in die Arme meines Mannes führt?“

    „Ich kann dir versprechen, Kala,“, sagte Anagor, und seine sonst so friedfertige Art konnte die in ihm schwelende Wut kaum verbergen, „dass dein Mann nie wieder auch nur an Finger an dich legen wird.“

    Kala betrachtete ihn und Sardala einen Moment nachdenklich, dann nickte sie.

    „Ich sage den anderen Bescheid, und eurem Heilkundigen.“



    „Ich habe das Gefühl, das ist in diesem Dorf nichts neues“, erwiderte Frida, ihre Stimme ebenfalls gesenkt. Einen Moment lang schien sie mit den Worten zu ringen, dann setzte sie an: „Was ist mit…“, doch bevor sie zuende sprechen konnte, hatte sie sich selbst unterbrochen und war stehen geblieben. Rasch gab sie dem Rest der Gruppe ein Zeichen, ebenfalls zu verharren, dann lauschte sie. Ja, da waren Stimmen in der Ferne zu hören. Schritte. Und nun konnte sie durch das Dunkel den ersten Fackelschein sehen.

    „Das sind Markes und seine Leute“, zischte sie, ihre Hand erneut an ihrem Messer. „Mit Sicherheit wollen sie in den Wald!“