Mutanten

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  • Die Rebellin


    Mila stand vor dem Badspiegel und betrachtete flüchtig ihr Äußeres, mit beiden Händen wuschelte sie ihr Haar zurecht. Die 32-Jährige war attraktiv, obwohl sie als sogenannte „Natural“ auf sämtliche Kosmetika verzichtete. Schönheits- OP‘s kamen für sie ohnehin nicht infrage. Lediglich die alljährlichen Nano-Kuren führte sie durch. Dank dieser Technologie verdoppelte sich die ursprüngliche Lebenserwartung nahezu. Doch darüber machte sich Mila keine Gedanken, sie war mit einem Vertreter der Rebellion verabredet. Eigentlich war sie keine Rebellin und hatte die Dienste der Organisation nur angenommen, um an Informationen zu kommen.
    Auf der Ablage lag ein alter abgegriffener Ledergeldbeutel – ein Relikt aus früheren Tagen. Sie benutzte ihn hauptsächlich um echte, nicht digitale Bilder aufzubewahren.
    Sie zerrte ein abgegriffenes Bild eines kleinen Jungen hervor und betrachtete es mit feuchten Augen.


    Da gewahrte sie auf dem Monitor zwei Gestalten, die sich dem Häuserblock näherten. Zumindest einen konnte sie als Cyborg identifizieren.
    „Scheiße“, entfuhr es ihr, “ich habe zu lange in dieser Wohnung gehaust“.
    Seit Wochen war sie auf der Flucht um keine Spur zu hinterlassen. Ihre Informationen waren scheinbar auch für andere interessant. Sie rief den Voice Service auf und bestellte ein Flugtaxi.Das Ding war zwar scheiß teuer stand jedoch binnen kürzester Zeit zur Verfügung. Als sie sich den Rucksack überwarf, fing dieser zu allem Überfluss zu piepsen an, der Mikrocontroller meldete den Verlust des Geldbeutels. Sie hastete ins Badezimmer und warf den Beutel in den Rucksack. Anschließend ging sie auf die Terrasse des zehnstöckigen Wohnkomplexes und flehte das Flugtaxi herbei.





    Cyborg


    Der Cyborg maß an die zwei Meter und hatte eine Glatze. Eine kleine runde Metallplatte auf seinem Hinterkopf, sowie ein metallisch schimmernder rechter Arm wies auf Besonderheiten hin. Ansonsten sah alles nach einer ‚normalen‘ menschlichen Haut aus, metallische Legierungen die von einer Art Hautmembran überzogen war. Unter der Haut war ein nanotechnologisches Netzwerk verbaut. Auch wenn er nicht der Typus Kampfroboter war, hierzu fehlte die gepanzerte Schutzausrüstung, übertrafen seine Kräfte die eines Normalbürgers um ein Vielfaches. Wie bei Cyborgs üblich war das Alter nicht ersichtlich. Er hieß Robert, nannte sich lieber Rob um auf einfältige Weise seinen Bezug zu einem Robocop herauszustreichen.
    Seine Begleiterin arbeitete als Geheimagentin und hieß Farina. Sie war Mitte dreißig und hatte eindeutig einen südländischen Einschlag. Ihre italienischen Vorfahren wanderten vor Jahrhunderten in die U.S.A aus und ihre Eltern hielten die Tradition des Familiennamens aufrecht. Fara kürzte ebenso wie Rob ihren Namen ab.
    Ihre dunklen, schwarzbraunen Augen verstärkte sie noch dezent mit Mascara, ihre Augenbrauen wurden in knapp gehaltener Strichform künstlich verlängert. Schwarzes Haar fiel in prachtvollen Locken bis zu den aufreizenden Pobacken. Eng anliegende Kleidung unterstrich die wohlproportionierten Körperformen dieser Femme fatale.
    Dieses ungleiche Tandem schickte sich an in den Wohnkomplex Nr. 277 einzudringen um der gesuchten Rebellin ihre Aufwartung zu machen. Sie wollten soeben das Gebäude betreten, als ein Düsen gesteuertes Flugtaxi um die Ecke bog und auf dem Dach des Gebäudes landete. Eine Frau mittleren Alters betrat das Taxi und Fara begann zu fluchen:
    „Scheiße, das war sie“. Hastig betätigte sie ihr in die Haut implantiertes Mini-Tablet. Das nächste leerstehende Flugtaxi wurde herbeordert. In der Zwischenzeit hatte sie alle relevanten Daten über das soeben gestartete Taxi erhalten. Als ihr Düsencopter auf dem Vorplatz landete, konnte sie das Ziel angeben.

  • Mondfähre


    Mila wusste, viel Zeit blieb ihr nicht. Zum Glück hatte L.A einen der wenigen amerikanischen Raumbahnhöfe und sie hastete in die Abfertigungshalle. Dort studierte sie eifrig die nächsten Abflüge und musste resigniert feststellen, dass keines ihrer infrage kommenden Flugziele zur Verfügung stand. Der nächste Flug nach Europa startete erst in 33 Minuten. Allenfalls ein Flug zum Mond wäre noch zu haben – Abfahrt in 15 Minuten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich für diesen einzuchecken. Zeitlich gesehen noch viel zu spät für ihr Empfinden.
    Auch wenn sie, für einen neutralen Beobachter, einen gehetzten Eindruck machte und sich immer wieder umsah, so kam sie anstandslos durch die Kontrollen.
    In der Mondfähre presste sie sich angstvoll in ihren Sitz und starrte gebannt auf die Gangway. Jeden Moment erwartete sie zwei ihr bekannte Gestalten darauf laufen zu sehen.
    Die Sekunden bis zum Start der Fähre zogen sich für sie wie eine Ewigkeit dahin.
    „Champagner oder Wasser?“. Die Stimme ihres Sitznachbarn schreckte sie aus ihrer Paranoia.
    Irritiert warf sie den Mittvierziger einen Blick zu, ein schleimiges Grinsen entblößte eine Reihe von Kristall bestückten Beißerchen – der neueste Modetrend auf der alten Erde.
    Im Normalfall hätte sie dem Schleimpfropfen eine granatenmäßige Abfuhr erteilt, doch in ihrer momentanen Verfassung nahm sie das Angebot als willkommene Abwechslung an.
    Grinsezahn schnippte den herumlaufenden Stewart herbei:
    „Wir hätten gern eine Flasche Dom Pérignon und haben sie zufällig Surf'n Turf auf der Speisekarte?“
    „Oh… Hummer ist zurzeit nur schwer erhältlich, aber wir haben gepulte Riesengarnelen an Lobster Sauce.“
    „Dann nehme ich diese … für mich mit einem ordentlichen Stück Rindersteak. Und Sie … Fräulein???“
    „Mila“, antwortete Sie, „für mich genügen die Garnelen … etwas Baguette oder Salat dazu.“
    Nobel geht die Welt zugrunde, dachte Sie.
    „Wie wollen Sie ihr Steak?“, fragte der Stewart weiter.
    Entgeistert blickte ihn Grinsezahn an. „Wie? Gebraten natürlich!“
    „Ich meine vielleicht englisch ...“
    „ ... um Himmels willen ...“
    „ … Medium ...“
    „ ... durch, ganz durch ...“
    „ … also well done!“ Der Stewart entfernte sich.
    „Banause“, dachte Sina mit einem Seitenblick auf den Schleimpfropfen neben sich.
    Da ertönte das Signal zur Bereithaltung. Alle bemühten sich um eine halbwegs korrekte Sitzhaltung, bevor sich nach einem weiteren Signal die automatischen Sicherungen den Körper anpassten. Nun konnte es nicht mehr lange bis zum Start dauern…



    Verfolger


    Das zweite Flugtaxi landete vor der Bahnhofshalle. Fara und der Cyborg hasteten in die Abfertigungshalle und steuerten zielstrebig auf die Sicherheitsabteilung zu.
    „Den leitenden Security-Chef,“ bellte Fara die Sicherheitsbeamten an, zur Legitimation hielt sie Ihnen ihre pulsierende Handfläche unter die Nase.
    Hier war quasi der Ausweis, der sie als staatliche Geheimagentin auswies, implantiert. Dienstbeflissen eilten die Cops nach hinten. Nach einer kleinen Ewigkeit kamen sie mit einem feisten Kerl zurück der mehr breit als hoch zu sein schien.
    „Was wollt ihr?“, fragte er die beiden ohne seine Abneigung gegen die ‚Schnüffler‘ zu verbergen.
    „Wir brauchen die Passagierlisten bzw. die Information ob und wo sich eine gewisse Person eingecheckt hat“
    „Name?“
    „Mila Wänner“
    Eine gefühlte Ewigkeit später kam endlich die Antwort: „Sie hat sich vor ein paar Minuten auf eine Mondfähre eingecheckt“.
    „Halten sie die Fähre an! Stoppen sie den Abflug dieser Maschine – sofort!“ ,energisch bohrten sich Faras Augen in die des Sicherheitsbeamten.
    Dieser lachte jedoch nur und strich sich seine dicken Fingerwürste zuerst in sein pomadiges Haar, bevor er seine Uniform damit beglückte. "Da könnte ja jeder kommen …“
    „Sie wissen genau, dass sie meinen Befehlen strikt Folge zu leisten haben“ fauchte sie ihn an.
    „Ich bin gar nicht befugt eine Mondfähre zu stoppen“, antwortete der feiste Klops, „das kann nur jemand aus der Chefetage“.
    „Aber sie können sie aufgrund der Sicherheitslage davon überzeugen sofort zu reagieren“, meinte Fara.
    „Soviel ich weiß, liegt gegen die von ihnen genannte Person kein Haftbefehl vor, der Check wies weder Waffen noch chemisch relevante Gefahrstoffe auf. Ist sie eine Terroristin? Warum sollten wir deshalb eine ganze Maschine am Boden halten?“ Der Dicke war die Ruhe selbst, gleichmütig schaute er die beiden Agenten an.
    Zu gleichgültig für Faras Geschmack und umspielte da nicht ein Lächeln die Mundwinkel? Faras italienisches Temperament nahm Fahrt auf, ein kurzer Wink zu Rob. Der Cyborg trat vor und packte den nicht gerade leichtgewichtigen am Hals. Unter der Kraft des Zugriffs knickte der Sicherheitsbeamte ein und fiel in sich zusammen, unfähig zur geringsten Gegenwehr. Nun hob ihn der Cyborg so an, dass die Füße über dem Boden schwebten.
    Fara stellte sich vor ihn hin und kniff ihn herzhaft in die Eier, da wo es besonders unangenehm ist.
    Süffisant lächelnd säuselte sie: "Du weißt genau – in fünf Minuten liegt die Anweisung hier auf dem Tisch. Komm also in die Gänge und halte uns nicht länger auf!“, dabei griff sie noch fester zu.
    Der Dicke war kaum in der Lage zu sprechen, dicke Schweißperlen rannen ihm von der Stirn.
    „In Ooordnung“, röchelte er“, aber dazu müssen sie mich wieder loslassen“.
    In diesem Moment ertönte die Durchsage, die Mondfähre habe soeben abgehoben.
    Wütend starrte Fara den Mehlsack an, „pass auf, dass du mir nicht noch mal in die Quere kommst“.
    Auf den Absatz machte sie kehrt und rauschte von dannen. Wie andere Leute ein Taschentuch in den Papierkorb schmeißen, schlenkerte der Cyborg den dicken Sicherheitsbeamten von sich.

  • Mondstation


    Beim Anflug auf die Mondstation hielt Mila den Atem an. Es war schon beeindruckend den Mond aus nächster Nähe zu sehen. Gern hätte sie sich das legendäre Lunatown der Mondliga angeschaut. Doch dafür hatte sie keine Zeit, schließlich wurde sie verfolgt. Knapp eine Stunde blieb ihr, bis die nächste Mondfähre von L.A ankam.Als sich die Sicherheitsgurte lösten, bedankte sie sich bei dem Grinsegesicht (die Garnele war köstlich) murmelte etwas von Übelkeit und suchte das nächste stille Örtchen auf. Nach einer Weile hoffte sie Kristallzähnchen entwischt zu sein und begab sich zu den Schleusen. Hier wurde jeder mittels Nanotechnologie auf das Gründlichste durchleuchtet, kein noch so kleiner Mikrosender blieb unentdeckt. Die Mondliga wusste sich potenzielle Gefährdungen materieller Natur vom Leib zu halten. Inzwischen wusste Mila, was sie wollte, sie ging schnurstracks in das nächstbeste interstellare Reisebüro. Irritiert schaute sie auf die Gynoide, die sie nach ihren Wünschen fragte.
    Der Erdling war den Umgang mit Androiden nicht gewöhnt und war zunächst einmal sprachlos.
    Die Gynoide schien jedoch damit kein Problem zu haben und führte sie in ein schlicht gehaltenes Büro, indem lediglich ein Tisch mit zwei Stühlen stand. Ein Hologramm von Lunatown hing an der Wand. Nervös holte Mila den Geldbeutel aus ihrem Rucksack. Nach einer Weile fand sie tatsächlich den Zettel mit Namen und Ortsangabe - es handelte sich um Europa mit seinen drei Monden. Nicht das alte Europa auf der Erde war gemeint, sondern die neue Kolonie.



    Europa


    Er war einer der ersten Exoplaneten der eher zufällig durch die Sternentor-Experimente entdeckt wurde. Mit der Planetenklassifizierung A erwies er sich als 100% bewohnbar. Europa … ein Name der Superlative, nein, besser gesagt ein Planet der Superlative. Siebenmal größer als die Erde hatte er dank seines leichteren Planetenkerns eine geringere Schwerkraft. Die Bewegung um seine Rotationsachse war zwar schneller als auf der Erde, durch seine Größe bedingt dauerte der Tag und die Nacht insgesamt 37 Stunden. Die große Sonne war aufgrund der größeren Entfernung zu dem Planeten nicht ganz so heiß, dafür kühlten die langen Nächte spürbar ab. Mit einer Durchschnittstemperatur von zehn Grad war Europa etwas kühler als die Erde. Als einer der ersten Entdeckungen der Mondliga war dies ein unberührter Planet, sah man von der zum Teil gigantischen Flora und Fauna einmal ab. Nach seiner Freigabe zur Kolonialisierung entwickelte sich ein regelrechter Run auf diesen Planeten. Ähnlich dem ‚Goldrausch‘ vergangener Tage gab es hier kostenlos Land zu bestellen und jeder konnte seinen „Claim“ abstecken. Zwischenzeitlich gab es sogar eine Infrastruktur, mittels Magnetschwebebahnen ging es zügig über die riesigen Landflächen. Die Hauptstadt unterstand der Mondliga und entwickelte sich schnell zu einem Industrie- und Handelszentrum. Hier werden riesige Passagierfähren für den interstellaren Verkehr, die sogenannten Kreuzfahrtschiffe sowie Handelsschiffe hergestellt. Militärische Raumschiffe werden auf dem benachbarten Mond fabriziert, der nur von Mondlingen bevölkert ist und als ein striktes Sperrgebiet gilt. Restart ist der Dreh- und Angelpunkt des planetaren Flugverkehrs. Jeder, der nach Europa will, muss über das ‚Hauptstadttor‘ einfliegen. Restart nennt sich die Hauptstadt, da sie ein Zeichen für einen Neubeginn darstellen soll.
    Die Bewohnbarkeit dieses Planeten steht im Einklang mit der Natur und jegliche schädliche Ausbeutung ist verboten. Europa ist riesig und reich an allen möglichen Ressourcen. Die vollständige Erschließung des Planeten und die Erfassung der Flora und Fauna wird noch Jahrhunderte dauern. Die Mondliga wies großzügige Reservate aus und es gab „weiße“ Sperrbezirke, die niemand betreten darf, überwacht von modernster Satellitentechnologie. Jedes Land von der Erde hatte hier sein Gegenstück und war in der Regel ungefähr zehnmal so groß.
    Der Anteil von Erde zu Wasser entsprach etwa 50:50, wobei der große Ozean in der Mitte locker alle Meere der Erde aufnehmen konnte. Der Sauerstoffanteil war ein Prozent höher als auf der Erde, alles in allem ideale Bedingungen für eine zweite Erde. Es war nur eine Frage der Zeit bis hier mehr Menschen wohnen würden als momentan noch auf der Erde. Die Mondliga warb auf der Erde für diese Kolonie und griff den ärmeren Ländern kräftig unter die Arme. Ganze Koloschiffe werden kostenlos gefüllt. Jeden Monat legt ein Schiff an und bringt Tausende von Einwanderern.



    Schleuse


    Eine Stunde später landete die nächste Mondfähre von der Erde auf der Mondstation. Ungeduldig beobachtete Fara das Andockmanöver der Mondfähren, die hier aus aller Welt im Minutentakt eintrafen. Endlich lösten sich die Sicherheitsgurte und Fara und Rob steuerten schnurstracks auf die Ausgänge zu. Einzeln wurden die Personen in der Schleuse gescannt. Eine Spritze mit Nanopartikelchen wurde quasi als Spionagepolizei in die Blutbahn gespritzt. Plötzlich leuchteten die Signallampen auf und eine durchdringende Sirene erklang. Die Scanner hatten ein Nicht-Lebewesen erkannt. Von der Wand lösten sich in Sekundenschnelle zwei Kampfroboter und hielten ihre Waffen schussbereit auf Robert gerichtet. Wollte er sich nicht pulverisieren lassen, musste er sich schnellstmöglich ergeben. Geradezu gelangweilt hob er zum Zeichen friedfertiger Absichten die Arme, dabei grinste er spöttisch in sich hinein. Die Kampfroboter führten ihn in die nächste, hermetisch abgeriegelte Zelle. Da Fara lautstark ihren Protest kundgab, wurde sie als Begleiterin des Cyborgs ebenfalls in Haft genommen.

  • Beata


    Die Tür öffnete sich und eine Frau mittleren Alters betrat den Raum. Zur Erleichterung von Mila handelte es sich um ein menschliches Wesen. Aufgrund der Lachfalten um die Augen erweckte sie sofort einen sympathischen Eindruck. Mit ruhiger Stimme fragte sie freundlich, womit sie helfen konnte. Auch wenn Mila sich das erste Mal seit ihrer Flucht in einer entspannteren Atmosphäre befand, wollte sie der Frau nicht ihr Leid klagen.
    „Ich suche nach einer Reisemöglichkeit nach Europa … der Kolonie Europa“, begann sie, „genauer gesagt auch nach Luna Minoris.“
    „Dann brauchen sie zuerst eine Passage zur interstellaren Raumstation in der Nähe von Jupiter“, antwortete die Mondfrau.
    „Oh,“ sagte Mila, „das wusste ich nicht.“
    Die Mondfrau machte eine wegwerfende Handbewegung, „das ist das geringste Problem, das Shuttle fliegt stündlich. Das größere Problem ist, ein freier Platz auf einem Kreuzfahrtschiff … Moment ich schaue einmal.“
    Die Frau machte ein paar Bewegungen in der Luft und eine holografische Kugel tauchte über der Tischmitte auf. Zu erkennen waren die Erde und der Mond. Die Mondfrau machte eine weitere Bewegung und plötzlich erschien das uns bekannte Sonnensystem. Mila erkannte den Saturn an seinen Ringen. Mit einem Tipp auf den dicken Jupiter ploppte ein Fenster mit den ein- und ausgehenden Flugverbindungen der Raumstation auf. Nach Eingabe auf den Namen Europa wurde das Sonnensystem verkleinert und in die Länge gezogen. Auf der anderen Seite tauchte ein großer Planet mit drei Monden auf – Europa.
    „Wie ich es mir gedacht habe, die Schiffe sind auf Monate im Voraus ausgebucht.“
    Mila war verzweifelt, sie hatte keine Zeit Monate zu warten.
    „Gibt es keine andere Möglichkeit“, fragte sie flehentlich.
    „Doch … ich schaue mal, ob vielleicht irgendjemand storniert hat“, nach einer Weile rief sie freudig, „sie haben Glück, drei Buchungen wurden storniert, zweimal zweiter Klasse und einmal dritter Klasse.“
    „Zweiter Klasse … dritter Klasse?"
    „Na ganz klassisch: Mehrbettzimmer, Zweibettzimmer und Einzelzimmer bei erster Klasse.“
    „Mir genügt ein Mehrbettzimmer, sofern ich die Passage überhaupt bezahlen kann. Was kostet die Reise?“
    „3.330 Lun“, kam die prompte Antwort.
    Mila wurde bewusst, wo sie sich befand, sie selbst hatte ungefähr 5.000 Dollar bei sich.
    „Was ist das in Dollar?“
    Die Frau lächelte, „der Kurs steht bei 3 : 1, d. h. ungefähr 9.990 Dollar.“
    Mila war den Tränen nah … so viel Geld hatte sie nicht.
    „Gibt es keine günstigere Möglichkeit?“
    Ernst schaute ihr die Mondfrau ins Gesicht. Mitfühlend begann ihre Stimme weicher zu werden.
    „Noch mal von vorne: Ich heiße Beata“, nach einer kleinen Kunstpause fuhr sie fort, „offensichtlich reisen sie unter großen Druck liebes Kind. Sie müssen mir nichts sagen, aber … aber manchmal kann es hilfreich sein, wenn man sich ausspricht.“
    Nun konnte Mila nicht länger an sich halten. Die Tränen brachen aus ihr hervor und sie begann zu schluchzen.
    „Aber, aber … ganz ruhig Kindchen“, Beata war aufgestanden und legte tröstend den Arm um die weinende Frau. „Ich kann den Flug zuerst einmal 24 Stunden reservieren … bis dahin haben wir eine Lösung gefunden. Der Flug nach Europa geht erst in 3 Wochen.“
    „3 Wochen?“ Mila brach erneut in Tränen aus, alles erschien ihr so sinnlos.
    „Hast du schon eine Bleibe hier auf der Station oder auf dem Mond?“, fragte sie Beata.
    Weinend schüttelte die Erdfrau den Kopf.
    „Dann lade ich dich zu mir nach Hause ein … es ist zwar kein Palast aber zum Schlafen dürfte es ausreichend sein.“

  • Ruckenbrod


    Fara saß schon über eine Stunde in ihrer Zelle. Zur Beruhigung rauchte sie eine E-Zigarette mit Johanniskraut Extrakten, als sich endlich die Tür öffnete und ein glatzköpfiger Mondoffizier eintrat.
    „Gestatten … Ruckenbrod“, stellte er sich knapp vor, „nun erzählen sie mal Madame Lardani“.
    „Erzählen? Was?“
    „Was haben sie mit dieser Cyborg Einheit vorgehabt und wieso bringen sie diese um Himmels willen auf die Mondstation“.
    „Ich glaube nicht, dass ich ihnen über meine Vorhaben Rechenschaft schulde!“
    „Oh doch, meine Liebe, oh doch!“, antwortete Ruckenbrod mit aller Schärfe, „hier unterstehen sie der lunaren Gesetzgebung. Sie sind doch als kommandierender Offizier für die Cyborg-Einheit verantwortlich!“
    Zögernd gestand Fara Lardani ein, „natürlich bin ich das, aber ich sehe darin kein Problem. In der Vergangenheit bin ich auch schon mit einem Cyborg zu den Planeten geflogen.“
    Sie hatte tatsächlich mehrere kleine Missionen durchgeführt, die aber eher Test- und Trainingszwecken dienten, als dass sie eine tatsächliche Verfolgung darstellten. Sie wäre aber nie auf die Idee gekommen zum Mond zu fliegen, wenn sie mit solchen Problemen gerechnet hätte.
    „Dieser Cyborg …“, Ruckenbrod machte eine Pause, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen,
    „dieser Cyborg ist nicht, was er zu sein scheint.“
    Der Gesichtsausdruck von Fara schien zu entgleisen und sie starrte den Mondling nur an.
    „Neben dem normalen Neuronen-Netzwerk wurde ein weiteres Netzwerk gefunden, nennen wir es Sub-Netzwerk. Auf dieses Netzwerk können wir nicht zugreifen und wissen nicht, was es beinhaltet bzw. wie es zu kontrollieren ist.“
    Diese Nachricht zog ihr den Boden unter den Füßen weg und sie hatte Mühe den Offizier nicht mit offen stehenden Mund anzuglotzen. Was für ein Teil haben sie ihr da angedreht? Natürlich dachte sie sich schon, dass sie keine 100 % Kontrolle über Rob ausüben konnte. Sie wäre aber nie auf die Idee gekommen zum Mond zu fliegen, wenn sie mit solchen Problemen gerechnet hätte. Also was sollte diese heilige Scheiße?
    Angespannt fragte sie: „Was heißt das jetzt? “
    „ Was das heißt? Nun wir haben eigentlich nur zwei Optionen:
    Erstens – der Cyborg wird eliminiert,
    zweitens– wir behalten ihn zu Forschungszwecken und schicken Sie zurück auf die Erde. “
    Die Gedanken von Fara rasten auf der Suche nach einem Schlupfloch.
    „ Sie können nicht einfach fremdes Eigentum einbehalten“, erwiderte sie schwach, wohl wissend um die Vergeblichkeit eines solchen Einwandes.
    „Wir können“, kam auch die prompte Antwort.
    „Was ist, wenn sie ihn ‚kastrieren‘, wenn sie dieses Sub-Netz entfernen? “, fragte sie verzweifelt, das wäre doch der interessanteste Teil für sie. "
    Beinahe schon belustigt betrachtete sie Ruckenbrod. Nachdenklich betrachtete er die Frau, Intelligenz gepaart mit Schönheit findet man auch heute noch selten, und den Vorschlag konnte er tatsächlich in Betracht ziehen.
    „ Wenn wir das Sub-Netz entfernen kann es zu Dysfunktionen kommen, darüber müssen sie sich im Klaren sein. Weiterhin würden wir ein eigenes Sub-Netz installieren und quasi die Kontrolle über den Cyborg übernehmen. “
    „Dann wüssten sie auch immer, wo er ist und was er tut? “
    „Selbstverständlich! Zu guter Letzt bekäme er einen Selbstzerstörungsmechanismus eingebaut, den wir jederzeit zünden können. “
    „Das sind eine ganze Menge … Veränderungen … “
    „ Sie sprachen von einer Kastration“, jetzt lächelte der Offizier sogar.
    „Wäre das alles? “, fragte Fara ernüchtert.
    „Alles? Nein, wir brauchen ihr Reiseziel und den Anlass für ihren Aufenthalt außerhalb der Erde. "
    Fara schnappte nach Luft, irgendwie musste sie Zeit gewinnen, das ging ihr alles zu schnell und überraschend. „Sie werden verstehen … ich … ich kann unmöglich alleine eine Entscheidung mit solch einer Tragweite treffen.“
    „Sie wollen bei ihrer ‚Dienststelle‘ anfragen? “
    „Bitte, wenn es möglich ist.“
    Ruckenbrod überlegte eine Weile, bevor er antwortete. „Dann können sie jetzt gehen … Morgen um die gleiche Zeit erwarten wir sie hier. Im Moment wird noch keine Entscheidung getroffen.
    Denken sie daran … wir wissen, wo wir sie finden.“
    Mit diesen Worten entließ er sie, doch Fara wusste auch so über ihren Status Bescheid.
    Innerlich atmete sie auf, immerhin hatte sie jetzt 24 Stunden Zeit gewonnen.

  • Moontown


    Mila staunte nicht schlecht, als das kleine Shuttle auf den Mond zuflog. Für ausnahmslos alle Reisenden war es ein überwältigender Anblick, wenn sie sich zum ersten Mal der Mondstadt näherten. Moontown hatte riesige Ausmaße, die unzähligen kleineren und größeren Glaskuppeln wurden von mehreren leicht fluoreszierenden Schutzkuppeln umgeben. Da sie allesamt durchsichtig waren, genoss man eine ungehinderte Fernsicht. Moontown war in seiner Bauart so anders als die Städte auf der Erde, irgendwie futuristisch und organisch zugleich. Neben der Zweckmäßigkeit und der Notwendigkeit, die Biosphären des Mondes mit Glaskuppeln zu schützen, verstanden es die Mondlinge trotzdem eine in sich schlüssige Architektur des Flusses zu schaffen.
    Alles schien irgendwie miteinander verwoben zu sein und die Gebäude fügten sich, egal ob sie massive oder filigrane Körper waren, in figurale Objekte ein, die mal pflanzlicher mal tierischer Natur zu sein schienen. In jedem Fall erweckte es den Eindruck eines, wenn auch undefinierbaren, organischen Wesens. Die gaudistische Kunstbewegung hatte ganze Arbeit geleistet.
    Lächelnd beobachtete Beata die Reaktionen ihrer Begleiterin: „So ergeht es jedem der zum ersten Mal die Mondstadt besucht.“
    Sie speisten im höchsten Turm der Stadt. Im Stile der Phoenix Towers aus China schraubte er sich in die Höhe. Doch im Gegensatz zu seinem Pendant auf der Erde lief dieser Turm nicht spitz aus, sondern wurde von einer großen Glaskugel gekrönt. Hier war ein exquisites Restaurant untergebracht. Der Blick auf Moontown war schon überwältigend genug, doch atemberaubend war auch die Aussicht auf die gute, alte Erde, die in ihrem Ozeanblau riesenhaft am Himmel hing.
    Im Quartier angekommen legte sich Mila erschöpft nieder und Beata wollte ihr einen Beruhigungstee bringen. Doch bevor das Teewasser kochte, war Mila schon eingeschlafen und Beate konnte sie nur noch zudecken.
    In diesem Moment meldete sich ihr Reisebüro. Durch ihren eingebauten Ohrhörer kommunizierte sie leise mit einem humanoiden Roboter. Die Gynoide gab ein aufgezeichnetes Gesprächsprotokoll wieder, mit der Anfrage verbunden Informationen preisgeben zu dürfen. Die Verfassung von Mila passte zu der geschilderten Geschichte, aus diesem Grund gab Beata auch die Informationen frei. Wenn die junge Frau morgen früh aufwachte, würde sie sich bestimmt über die Neuigkeiten aus der Heimat freuen.



    Informationen


    Fara loggte sich im Interstar ein, dieses schlichte Hotel bot günstige Übernachtungen für die Reisenden an. Als sie über die Satelliten eine Verbindung zu ihrem Headquarter herstellte, überlegte sie kurz, dann begann sie zu schreiben. Sie verzichtete darauf den Text zu verschlüsseln und brachte auch keine versteckten Botschaften unter. Die Angelegenheit war zu dringlich und brisant als, dass sie hieraus ein Spielchen mit der Mondliga treiben könnten. Die Liga kontrollierte bestimmt jede Zeile, die sie an Kommunikation von sich gab. So schilderte Fara den Vorfall, ohne etwas zu beschönigen, schließlich fühlte sie sich ja selbst geleimt. Zum Schluss wies sie noch auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hin, aber dass müssten sie dort unten eigentlich selbst raffen.
    Nachdem sie die Nachricht abgesetzt hatte, ging sie aus dem Hotel. Sie musste irgendwie in Erfahrung bringen, wohin sich ihr ‚Objekt‘ gewandt hatte. Morgen muss sie ein Reiseziel angeben und dieses sollte nicht in ein entgegengesetztes Universum führen. Nicht weit von der Anlegestelle war ein kleines Reisebüro und sie beschloss dort ihr Glück zu suchen.
    Eine höfliche Gynoide fragte nach ihren Wünschen. Fara holte weit aus und erzählte geradewegs eine erfundene Geschichte über Mila Wänner und ihre "hilflose" Verfassung. Mila glaubte, sie sei Schuld am Tod ihres Vaters und suchte deshalb die Weiten des Universums auf. Insgesamt sei sie psychisch sehr instabil. Ihr Vater ist aber noch am Leben und er hat sie, Fara, beauftragt Mila nach Hause zu holen.
    Gleichmütig hatte die Gynoide zugehört: “Sie wünschen eine Suche nach der genannten Person? " ,fragte sie höflich.
    „ Aber sicher“, antwortete Fara.
    Der humanoide Roboter steckte seinen Finger in einen kleinen Schlitz an der Wand und begann Daten abzurufen. Nach wenigen Sekunden wandte er sich wieder Fara zu.
    „Ich habe die genannte Person gefunden, aber ich darf ihnen keine Informationen weitergeben. “
    „Es handelt sich doch hierbei um einen Notfall … eine Vermisstenanzeige sozusagen: “ ,konterte Fara.
    „Ich bin nicht autorisiert ihnen Auskünfte zu geben, dies kann nur die leitende Angestellte tun, "wenn sie morgen wieder kommen würden …“
    Morgen war es zu spät, sie musste jetzt an die Informationen kommen, dachte Fara, laut fragte sie „können sie keinen Kontakt zu der leitenden Sachbearbeiterin herstellen? “
    „Wenn sie es wünschen kann ich es versuchen“, sie schloss die Augen zum Zeichen ihrer Abwesenheit und kommunizierte mit Beata. Nach einiger Zeit öffnete sie wieder die Augen:
    „ Es wird sie freuen, ich bin autorisiert worden ihnen die gewünschte Information zu geben. Mila Wänner hat auf dem nächsten Kreuzfahrtschiff nach Europa eingeloggt. Meine Chefin bittet sie morgen wieder vorbeizukommen, dann könnte sie einen direkten Kontakt herstellen. “
    „Ich bin ihnen zutiefst zu Dank verpflichtet“, säuselte Fara, „sie haben mir sehr geholfen. “
    Den Teufel werde ich tun hier nochmal aufzukreuzen dachte sie, als sich die Türen geschlossen hatten. Zufrieden grinste sie in sich hinein, das ging ja leichter als erwartet.

  • Ein verführerischer Duft weckte Mila sanft aus ihren Träumen, sie brauchte eine Weile, bis sie begriff, wo sie gerade war. Neben der Couch stand ein Frühstückstablett mit einer dampfenden Teekanne – wohl die Ursache für die Sinne weckenden Aromen. Sie hatte seit ihrer Flucht nicht mehr so gut geschlafen. Hungrig biss sie in die Croissants.
    Beata kam zur Türe herein und lächelte sie an. „Ah, du bist wach … der Schlaf scheint dir gutgetan zu haben. Schmecken dir die "Mondhörnchen"? “
    „Die sind ja fast besser als das Original auf der Erde“, antwortete Mila mit vollem Mund.
    „Sie sind auch aus gutem Mondmehl gebacken“, scherzte Beata. „Ich habe gute Neuigkeiten für dich, deine Bekannte auf der Erde sagte, du könntest wieder zurückkommen, dein Vater ist nicht gestorben.“
    Mila blieb fast der Bissen im Halse stecken, entgeistert schaute sie die Mondfrau an. Sie hatte das Gefühl, der Boden wurde unter ihren Füßen weggezogen. Ängstlich zog sie die Beine an und duckte sich unter die Decke. Leise antwortete sie: „ Mein Vater ist tot … er starb schon vor fünf Jahren. “ „Aber …“, nun hatte es Beata die Sprache verschlagen. Lag hier eine Verwechslung vor?
    Mit plötzlicher Klarheit fragte Mila, wer sich denn nach ihr erkundigt habe und auch nach dem Cyborg fragte sie.
    Beata runzelte verständnislos die Stirn. „Einen Moment“, sagte sie. Sie sprach in ihr ultrafeines Micro, das unsichtbar unter der Haut implantiert war.
    „Geschäft bitte“ ‚ nach einer Weile ertönte am anderen Ende der Leitung „Ja, bitte?“
    Mila erkannte sofort die Stimme der Gynoide. „Hallo Cinderella“, begann Beata, „übertrage bitte das gestrige Gesprächsprotokoll. Die Anfrage der Frau, die einen Notfall geltend gemacht hatte. “ „Mit Visualisierung? “, antwortete Cinderella. „Selbstverständlich mit“, kam die Antwort.
    Natürlich erkannte Mila ihre Verfolgerin sofort und sie brach in Tränen aus.
    Beruhigend sprach Beata auf sie ein und machte ihr klar, dass sie hier bei ihr sicher sei, niemand wüsste von ihrer Anwesenheit hier. „ Jetzt musst du mir aber langsam mal deine Geschichte erzählen, mein Kind." Schniefend antwortete Mila. „Ich werde verfolgt“, und dann begann sie ihre Geschichte zu erzählen.
    Bestürzt hörte die Mondfrau ihr zu, als sie die ihr bekannten Ereignisse erreichten, fragte sie:
    „ Aber wer … und warum wirst du verfolgt?“
    Mila wich der Frage zuerst aus, aber dann wurde ihr die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage bewusst.
    Beata machte nun wirklich nicht den Eindruck ihr schaden zu wollen.
    „Mein Vater war Agent in den Reihen der CIA. Ich bin im Prinzip das Ergebnis eines geheimen Zuchtprogramms – eine Humanoide mit telepathischen Fähigkeiten. Doch als mein Ausbildungsprogramm begann, weigerte ich mich, mitzuarbeiten, ich wollte nicht das Produkt irgendwelcher Machenschaften werden. Mein Vater versuchte mich, mithilfe von Drogen dazu zu zwingen, doch meine telepathischen Fähigkeiten waren stärker als jede Droge. Als ich schon erwachsen war, zwang er mich zu einer Vereinigung mit einem männlichen Gegenstück.
    Im Prinzip war es eine Vergewaltigung, seither hasste ich meinen Vater. Die Fruchtbarkeit
    meines Körpers stand auf Grün und so gebar ich neun Monate später einen Sohn.
    Trotz der Vergewaltigung liebe ich ihn über alles.“ Mila kramte in ihrem ledernen Geldbeutel nach irgendetwas. „Vor fünf Jahren, mein Sohn war gerade acht Jahre alt geworden, starb er angeblich bei einem Unfall. Sie verweigerten mir das Recht seine Leiche zu sehen und beschieden mich damit zufrieden zu sein. Ich aber glaubte nicht an den Tod meines Sohnes. In meiner Verzweiflung wandte ich mich an die Rebellen. Diese verhalfen mir zu der nötigen Information, dass mein Sohn noch leben würde. Dies ist der Grund, warum ich verfolgt werde.“ Sie stockte kurz, die Daten befanden sich auf einem Mikrochip und waren dechiffriert. Mila brauchte jemand der sie auslesen konnte. Davon erzählte sie jedoch nichts der Mondfrau, stattdessen reichte sie Beata ein Bild ihres Jungen. „Das ist Anton, als er acht Jahre alt wurde“
    Fassungslos hatte die Mondfrau zugehört. So etwas war ihr noch nicht untergekommen. Aufgeregt tigerte sie in ihrer Wohnung hin und her.
    „Hast du meine Gedanken gelesen? “, fragte sie plötzlich.
    Trotz dem Ernst der Lage musste Mila lächeln: „wahrscheinlich könnte ich es …, aber ich habe nie gelernt meine Fähigkeiten einzusetzen. Manchmal drängen sie sich auf … aber ich schiebe sie immer schnell beiseite. Ich will keine Telepatin sein!“



    Fara fand sich pünktlichst am vereinbarten Treffpunkt ein. Sie musste auch nicht warten und wurde sofort in das Empfangszimmer eingelassen. Ruckenbrod saß hinter einem Schreibtisch und schaute sie mit klarem Blick an. Nervös fummelte Fara einen Zettel aus ihrer Jacke und las vor:


    Liebe Fara,


    wir bedauern die entstandenen Unannehmlichkeiten. Das sogenannteSub-Netz dient lediglich der physikalischen Überwachung der biologischen Bestandteile des Cyborgs. Lediglich bei lebensgefährdenden Zuständen greift es ein, um die entsprechenden körpereigenen Abwehrkräfte zu stimulieren. Selbstverständlich kann dieses Sub-Netz entfernt werden. Wir sind mit allen Maßnahmen der Mondliga einverstanden.


    Gruß Charles Brünner
    CIA-Headquarter


    Fara selbst war erstaunt über die prompte Antwort gewesen. Offensichtlich wussten sie schon von den Vorfällen bzw. waren auf diese Komplikationen vorbereitet. Trotzdem irritierte sie die Antwort, entsprach die Aussage der Wahrheit oder hatte die Sache einen Haken?
    Als ob Ruckenbrod ihre Gedanken lesen konnte, antwortete er, „mir gefällt die schnelle Zusage ihres Unternehmens nicht. Wenn der Cyborg tatsächlich so harmlos ist, wie sie suggerieren, warum hat man dann dieses Patent nicht schon bei uns angemeldet. Ich dachte, sie wären eher an einer unversehrten Rücksendung interessiert. Doch wie ist ihr Standpunkt in dieser Angelegenheit? Sie haben schließlich das Kommando über diese Einheit!“
    „Eine eliminierte Einheit bringt mir genauso wenig wie eine Rücksendung. Ich benötige die analytischen Fähigkeiten des Cyborgs sowie seine Funktion als Schutzeinheit. Beides wird ja wohl durch die OP nicht beeinträchtigt werden?“, antwortete Fara.
    „Sie meinen sie benötigen die Einheit, um ihren Ansichten den erforderlichen Druck zu verleihen“, stellte Ruckenbrod fest. Sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. „Da wäre noch die Frage nach ihrem Reiseziel bzw. ihrer "Aufgabe" zu klären.“
    „Wir wollen nach Europa. Es kommt hin und wieder vor, dass Personen die dorthin gereist sind plötzlich wie vom Erdboden verschwinden. Da es sich dabei auch um Mitarbeiter unseres Unternehmens handelt, ist die Frage nach ihrem Verbleib wohl verständlich. “
    Ruckenbrod blickte sie scharf an. Es stimmte, immer wieder versuchen Erdlinge in den neuen Welten unterzutauchen. Selbst die Mondliga hat große Schwierigkeiten diese sogenannten Abweichler ausfindig zu machen und Europa ist der Größte und am dichtesten besiedelte Planet der neuen Kolonien. Deshalb nickte er nach einer Weile zustimmend.
    „Kommen sie in einer Woche wieder, um ihre Einheit abzuholen.“


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    Edit: Titel von “Die posttraumatische Ära“ zu “Mutanten“ geändert (ich fand den Titel bescheiden)

  • Mila stocherte lustlos in ihrem Essen herum. Beata konnte viel erzählen, sie fühlte sich noch lange nicht in Sicherheit. Der Cyborg und seine Komplizin wurden angeblich verhaftet, aber sie vertraute mehr ihrem inneren Bauchgefühl.
    „Warum willst du eigentlich nach Europa? “, wollte ihre Gastgeberin wissen.
    „Ich habe nicht darüber nachgedacht ... einfach nur weg, weg von meinen Verfolgern“, antwortete Sina, „Europa ist als Ziel für eine Kontaktaufnahme auf einem Notizzettel angegeben worden. Ich dachte bisher, die Rebellen meinten das alte Kontinentaleuropa auf der Erde. Irgendwelche Namen von Kontaktpersonen haben Sie mir aber nicht gegeben.“
    „Hmm, Europa ist die größte und eine der ältesten Kolonien. Hier leben die meisten Einwanderer, die Chance Leute aus dem Untergrund zu finden ist also relativ groß. Selbstverständlich geben die nicht so ohne Weiteres ihre Identitäten preis … beziehungsweise geben falsche Namen an. Ich werde mal ein paar Erkundigungen einziehen.“



    Fara war natürlich in eine andere Agentur gegangen, um ihren Flug nach Europa zu buchen.
    In ihrer Euphorie orderte sie zwei Einzelkabinen der ersten Klasse. Ein bisschen Luxus musste sein und schließlich zahlte die Firma solcherlei Spesen. Nach einer Woche sprach sie wieder bei Ruckenbrod vor. Im Zimmer saß schon der Cyborg, der sie dümmlich angrinste. Noch bevor sie sich setzen konnte, eröffnete der Mondoffizier das Gespräch:
    „Also, meine Liebe. Ich sollte sie beide doch umgehend zurück auf die Erde schicken, uns wurde ein Vorfall in einem Reisebüro gemeldet.
    Was haben sie dazu zu sagen? “
    Die Agentin blinzelte noch nicht einmal auf diese Eröffnung, schließlich hatte sie damit gerechnet, befragt zu werden.
    „Diese weibliche Person steht bei uns auf den Fahndungslisten. Sie gehört zur Rebellion. Wir haben einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort erhalten. Abtrünnige ausfindig zu machen gehört zu meinen ganz normalen Aufgaben weshalb ich hierhergeschickt wurde. "Dem konnte Ruckenbrod nicht widersprechen. Auch, wenn er politisch gesehen die Ideen der Rebellion eher unterstützte, war er offiziell zur Neutralität verpflichtet. Zudem konnten auch die Mitglieder der Rebellen ein Sicherheitsproblem für die Mondliga darstellen, wie sich in letzter Zeit des Öfteren gezeigt hatte.
    „Ich habe überhaupt kein gutes Gefühl sie weiterreisen zu lassen, aber dennoch werde ich mich an die Abmachung halten. Allerdings mit einer Auflage: Diese Erdfrau lassen sie zukünftig in Ruhe! Denken sie daran“, und dabei wandte er sich an den Cyborg, „wir haben sie jederzeit und überall unter Kontrolle.“


    Beata war mit Mila in einen Freizeitpark gegangen. In diesem waren sie der natürlichen Gravitation des Mondes ausgesetzt, hier wurde keine künstliche Schwerkraft erzeugt. Es war ein herrliches Gefühl, über den Boden zu laufen und springen. Zum Abschluss tranken sie einen Tee in einem der Vakuum-Kaffeehäuser. Das kugelige Trinkgefäß war verschlossen, lediglich der Saugrüssel ragte hervor. Durch die Luft schwebend bereitet es einen Riesenspaß, sein Getränk kopfüber zu schnabulieren. Auf dem Nachhauseweg benutzten sie einen Touri-Gleiter der die schönsten Perspektiven von Moontown anflog.
    „Ich habe übrigens meine Kontakte spielen lassen, ein alter Freund schuldete mir noch etwas.
    Du sollst dich bei deiner Ankunft in Restart bei ihm melden. Den Namen kannst du dir leicht merken, er heißt Mr. Brown und wird mit dir Kontakt aufnehmen. Er wird dir weiterhelfen können. “
    „Oh, danke“, antwortete Mila, „dann habe ich nur noch ein Problem, wie bezahle ich meine Überfahrt? Kann ich an Board irgendwelche Dienste übernehmen? “
    Jetzt musste Beata lachen, „die Zeiten der Tellerwäscher sind wohl schon lange vorbei, oder willst du mit Robotern konkurrieren?
    Eher könnte man dich als blinde Passagierin einschleusen! "
    Mila schaute entsetzt bis sie den Schalk in den Augen ihrer Gesprächspartnerin entdeckte.
    „Oh ja, ich wollte mich schon immer in einem Frachtraum einfrieren lassen“, scherzte sie.
    „ Im Ernst“, Beata setzte eine gewichtige Mine auf, „wir haben einen Pool, um sozial schwächeren Erdlingen zu helfen. Ich konnte die hiesigen Entscheidungsträger zu einer Spende animieren. Auch die Sicherheitsabteilung hat diesen Antrag unterstützt. Du kannst also unbeschwert reisen. " Ungläubig starrte Mila die Mondfrau an. So viel Gutes ist ihr noch nie zuvor widerfahren. Weinend fiel sie Beata um den Hals.
    „Danke … Vielen Dank. " Beata hielt sie schweigend im Arm. Den Pool gab es tatsächlich, aber die Überfahrt hatte sie aus eigener Tasche gezahlt. Die Gründe hierfür wollte sie aber Mila nicht sagen. Mr. Ruckenbrod von der inneren Sicherheit hat jedoch dafür Sorge getragen, dass sie auf dem Kreuzfahrtschiff unter ständiger “Bewachung“ stand. Dafür bekam sie sogar eine VIP-Lounge zum Preis einer einfachen Überfahrt.



    Eine Fähre brachte den Cyborg und Fara schließlich auf dem Mond, sie buchten ein billiges Motel da der Flug nach Europa erst in zwei Wochen anstand. Am Abend schleppte sie Rob zu einer Hafenkneipe, er wolle ihr etwas beweisen hatte er gesagt. Die Kneipe war eine jener Sorte, die jeder rechtschaffene Mensch oder auch Lunaner tunlichst mied. Hier trafen sich die Vertreter anderer Rassen, um unter Ihresgleichen sein zu können. Aufgrund der körperlichen Überlegenheit der Außerirdischen war es nicht ratsam, Streit anzufangen. Doch genau deshalb war der Cyborg anscheinend da. Kaum angekommen legte er sich mit einem Alien an, einer Art Käfer, der an die drei Meter groß war und mehrere Arm- oder Beinpaare besaß. Rob schüttete ihm seinen Drink ins Gesicht und nannte ihn provozierend Arschloch, in der Hoffnung die Übersetzung würde nichts beschönigen. Der Drink schien schon ausreichend zu sein, denn der Käfer ruderte auf ihn zu. Blitzschnell brach ihm der Cyborg das erste Armpaar und riss ihm geradezu die nächsten beiden aus dem Körper. Eine grüne Flüssigkeit sprudelte aus den vorhandenen Öffnungen hervor. Doch damit nicht genug, der Cyborg packte den Kopf des Käfers und drehte ihn mit einem hörbaren Knacken auf die rückwärtige Seite. Auch für ein extraterrestrisches Wesen ein klares Todesurteil, die Amphibie fiel der Länge nach auf den Boden.
    Nun brach ein Riesentumult aus, den der Cyborg durch das Zünden einer Blendgranate noch vergrößerte. Er packte die gänzlich verdatterte Fara an der Hand und suchte das Weite. Fara hatte fassungslos das Szenario mitverfolgt. Draußen hinterlegten sie noch Rauchgranaten, mit deren Hilfe sie sich aus dem Staub machten.
    „Sag mal, spinnst du? “, fuhr Fara den Cyborg an.
    „Beruhige dich“, antwortete dieser, „ich will dir nur zeigen wie weit sie mich tatsächlich unter Kontrolle haben. “
    „ Aber …“
    „Kein aber, schnitt Rob ihr das Wort ab“, „kein Außerirdischer wird den Vorfall der Mondliga melden und hier gibt es keine Überwachungskameras. Die Mond-Heinis sehen nur das, was ich sie sehen lasse! Meine synthetische DNA-Struktur ist so raffiniert aufgebaut, da brauchen sie noch hundert Jahre um uns auf die Schliche zu kommen. Denken sie daran, wir haben sie jederzeit und überall unter Kontrolle … ha haha.“