Die Stunden verflogen. Mike saß in der Wohnküche auf dem Sofa, genehmigte sich inzwischen seine zweites Redbull und war in Gedanken versunken. Es gab einiges was ihn derzeit beschäftigte.
Allem voran natürlich seine Aussicht auf eine Chance den Karrieresprung in die USA zu schaffen. Vermutlich gab es nicht viele in seiner Berufssparte, die nicht zum Marktführer in die vereinigten Staaten wechseln wollen würden. Der Weg dorthin war jedoch lang und beschwerlich. Selbst wenn man eingeladen werden sollte, war das noch lange kein Freifahrtsschein, dass man es auch tatsächlich geschafft hatte.
Die Ablehnungsquote war verdammt hoch. Er wusste das genauso gut wie sein Trainer, aber keiner sprach darüber. Ziel war es immerhin sich selbst zu motivieren, sich Mut zuzusprechen und wenn die Einladung tatsächlich bei ihm eindtrudeln sollte, dann hat er es geschafft. Es konnte gar nicht anders sein. Nicht nur die körperliche Fitness war wichtig. Die Amis legten zwar viel Wert auf körperliche Präsenz, das heißt möglichst groß und möglichst muskulös, aber das war eben nur die halbe Miete. Wenn man im Wrestling-Business nicht gut reden konnte, hatte man quasi keine Chance. Es war Teil des Geschäfts sich verkaufen zu können. Man musste im Ring Reden halten können um das Publikum anzufachen. Konnte man da nicht überzeugen, brachte einem auch der Adonis-Körper nichts. Zumindest in den meisten Fällen nicht.
Als der letzte Gedanke gerade gedacht war, realisierte Mike, dass er die ganze Zeit auf die kleine Digitaluhr starrte, die im Backofen integriert war. Er zuckte förmlich zusammen und rappelte sich vom Sofa auf. "Kacke... schon so spät. Ich glaube er hatte gesagt, dass es um 19 Uhr Abendessen gab", überlegte er laut und fühlte sich plötzlich etwas gehetzt. Die leeren Energiedrinkdosen stellte er unverbindlich auf die Küchenzeile. Wegwerfen wollte er sie nicht, immerhin gabs für jede Dose 25 Cent Pfand! Gerade als der die Küche wieder verlassen wollte, sah er sich doch nochmal um. Irgendwie sah es unordentlich aus, wenn er die leeren Dosen dort stehen ließ. Er zögerte einen Moment, ging nochmal zurück und warf die Dosen dann doch in den Mülleimer unter der Spüle. Vermutlich war jemand mit einem solchen Anwesen auch nicht darauf angewiesen sich die 50 Cent Pfand abzuholen.
Zufrieden mit der hinterlassenen Ordnung in der Wohnküche verließ er diese und fand sich wieder im langen Flur, welchen man betrat, wenn man durch die Tür zwischen den Treppenflügeln schritt. Er sah kurz einmal nach links und rechts den Gang entlang. In Richtung der Treppen hatte sich bereits eine kleine Traube anderer Gäste gebildet, in der anderen Richtung stand der Butler, welcher ihn auch schon begrüßt hatte als er hier angekommen war.
Mike entschied sich zum Butler zu gehen und wurde mit ein paar freundlichen Worten weiter in den Speisesaal gelotst.
Der Speisesaal selbst passte wie die Faust aufs Auge zu den restlichen Räumen des Hauses. Es war nicht renoviert worden und hatte noch den alten Charme des Orginalstils des Anwesens. Ein ausufernder Esstisch aus poliertem dunklem Holz bildete das Zentrum des prunkvollen Raumes. Es war für bereits für die Gäste gedeckt, doch bei näherem Hinsehen konnte Mike keine Namensschilder oder ähnliches erkennen. Vielleicht war es egal, wo man sich hinsetzte. Aus irgendeinem Grund wollte er sich jedoch nicht einfach so setzen und schon gar nicht als Erster, daher ging er hinüber auf die andere Seite des Saals. Hohe, schmale Fenster zeigten in den Wald hinaus und verschafften einen perfekten Eindruck von Ruhe und Freiheit. An den gegenüberliegenden Wänden hingen die typischen Gemälde und Bilder, die zahlreich im Anwesen zu finden waren.
Mike würde sich noch ein wenig gedulden. Die anderen Gäste schienen ja bereits auf dem Weg zu sein.