Der Swordmaster kehrt zurück

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  • "Wie lange war ich weg?"

    Er betrachtete die endlos scheinenden weißen Ebenen des Planeten New Wacken, den er einst seine Heimat genannt hatte. Als er sich umdrehte, sah er die Ruinen der Hauptstadt Tate City, einst ein so stolzer und majestätischer Anblick. Unweit von seiner Stelle, nahe des Haupttores, hatte jemand einen Gedenkstein aufgestellt. Er bewegte sich dorthin, mit zielstrebigen, doch gleichzeitig andächtigen Schritten - es war sehr lange her, seitdem er das letzte Mal einen Fuß auf diesen Boden gesetzt hatte. Er erreichte den Gedenkstein, und seine Finger - trotz der Kälte ohne Handschuhe - strichen über die sorgsam eingemeißelten Schriftzeichen.


    "Acht Jahre? Nein, das ist nicht möglich..."

    Doch in diesem Universum verging Zeit nicht so, wie er es aus der anderen Welt kannte - die andere Welt, in der er nichts weiter als ein Name und ein paar andere geschriebene Worte auf einem Computerschirm war. Eine andere Welt, in der er womöglich nicht mal einen richtigen Namen, sondern nur einen Titel besaß, der dort keine Bedeutung hatte. Eine Welt, in der sein Schicksal von einem übergewichtigen Jungen mit einer verstaubten Tastatur und zuviel Zeit bestimmt wurde... In dieser Welt fühlte es sich an wie Jahrhunderte, die seit seinem Verschwinden vergangen waren...


    Die Schneewüste des Planeten New Wacken wirkte trostlos, und doch schien es, als konnte er die Schreie und das Klirren der Waffen in der letzten großen Schlacht noch immer hören. Das Feuer der Waffen, die Explosionen, die Rufe seiner Truppen und das Gebrüll seiner Feinde... Er vermisste es. Und jetzt, da er wieder hier war, hatte sich so vieles verändert.


    Aber es lag nicht nur am Planeten. Vor allem lag es an ihm. Und ihm wurde bewusst, dass New Wacken deswegen so trostlos wirkte, weil es keine Bedeutung mehr für ihn hatte. Er war darüber hinausgewachsen. Die Kriege und Streitigkeiten, das Heldentum und die tragischen Verluste waren zu einem Echo in der Vergangenheit geworden, und obwohl sie damals noch sein Leben ausgefüllt hatten, so trivial und kindisch kam ihm nun alles vor. Ihm wurde auch bewusst, dass der Planet selbst ihm nichts mehr bedeutete. Was auch immer er hier früher einmal getan haben mochte, er war nun fertig damit. Es gab noch Städte hier, es gab noch Metaller, aber er selbst hatte hier nichts mehr, was ihn festhielt.


    Vielleicht war es auch er selbst, mit dem er fertig war. Er tastete nach seinen Waffen, die er vor so vielen Jahren in zahlreichen Kämpfen geführt hatte. Das große Schwert, ein Zeichen seiner Herrschaft als Imperator, das noch immer in der Scheide an seiner linken Hüfte steckte. Die beiden Dolch in den überkreuzten Halterungen auf seinem Rücken. Der handschuhartige Mechanismus an seiner linken Hand, der auf eine einzige Bewegung hin zwei gezackte Klingen ausstieß. Selbst das kleine Messer in seinem Stiefel - er konnte sich noch gut daran erinnern, dass es dieses Messer war, welches sein eigener Bruder und doch erbittertster Feind genutzt hatte, um sich in der letzten Schlacht das Leben zu nehmen.
    Auch die beiden Pistolen im Gürtel gehörten dazu. Er hatte all diese Waffen so lange nicht mehr benutzt, und sie kamen ihm wie kindische Spielzeuge vor. Und jetzt, wo er sie betrachtete und in Gedanken aufzählte, so fiel ihm eines auf, worüber er in all den Jahren nie nachgedacht hatte:


    Sie waren so verdammt schwer!


    Das Schwert behielt er. Es war mehr ein Symbol als eine Waffe - ein Gegenstand, an dem ihn alle erkennen sollten, die sich überhaupt noch an ihn und seine Abenteuer erinnerten. Doch die restlichen Waffen legte er ab. Er schnallte den Waffengurt mit den Pistolen ab und ließ ihn achtlos fallen. Seine Finger lösten den Klingenhandschuh von seinem linken Arm - beinahe hätte er ihn ebenfalls in den Schnee fallen lassen, doch im letzten Moment erinnerte er sich, dass die Klaue einst ein Geschenk gewesen war. Behutsam setzte er daher die Waffe auf den Gedenkstein. Die beiden Dolche von seinem Rücken landeten mit den Klingen voran im Schnee und blieben stecken, als Mahnmal für das, was einst gewesen war.


    Früher einmal hatte er sich hauptsächlich über seine Waffen und seine Fähigkeiten im Kampf definiert. Diese Zeiten waren vorbei. Es gab Anderes zu tun. Es gab Leute, mit denen er sprechen wollte, und Dinge, die er nicht länger aufschieben konnte. Vor allem gab es noch Geschichten zu erzählen - und vielleicht noch Dinge, die er anderen beibringen konnte.


    Er drehte sich um und ging. Eine Stunde später - in der anderen Welt die Zeitspanne, die man brauchte, um eine Zeile Text zu lesen - hatte er den Planeten verlassen.




    Sein Ziel waren die Ratsplaneten. Vielleicht hatten sie in all den Jahren einen neuen Namen durch seine Bewohner erhalten, doch für ihn hießen sie weiterhin Zentralius.


    Die befreundeten Besitzer eines Transportschiffes, das merkwürdigerweise einem lilanen Einhorn glich und "Brunhilde" hieß, verschafften ihm eine Passage zum größten der fünf Ratsplaneten, und es dauerte nicht lange, bis er dort eingetroffen war. In seinem Kopf spukten alte Erinnerungen und... Musik herum. Doch die Erinnerungen verblassten. Auch Zentralius Alpha hatte sich verändert. Viele der Geschäfte, die er hier einst aufgesucht hatte, waren verschwunden. Kurzerhand suchte er die Bar auf, die dem Raumhafen am Nächsten war. Ein Schritt durch die Tür... zwei Schritte später machte er kehrt und verließ die Bar wieder. Was zur Hölle war denn das für ein Laden??? Die Musik war scheußlich, noch schlimmer als das, was er in den übelsten Kaschemmen vernommen hatte, in denen er bei seinem letzten Besuch gelandet war. Ein paar Straßen weiter fand er jedoch ein Lokal, das ihm eher zusagte.


    Der Barkeeper sah ihn an, als er eintrat, begrüßte ihn aber mit höflicher Zurückhaltung - es war offensichtlich, dass er ihn nicht erkannte. "Was darf es sein, Fremder?"

    Seine erste Reaktion wäre Guinness gewesen, aber dies schluckte er runter. "Tee. Earl Grey. Mit Milch und Zucker."

    "Kommt sofort."

    Er setzte sich an die Bar und wartete auf sein Getränk, welches bald kam. Während er leicht an dem Teebeutel zog, der in der Tasse vor sich hin schwamm, warf er einen prüfenden Blick in die Runde. Vielleicht gab es hier jemanden, den er kannte...


  • Der ungezählte Staub auf der schwarzen Hose störte Yolanda, doch was sollte man auch auf dieser Welt erwarten? Hier konnte sie noch wenig überraschen. Viel hatte sich geändert seit ihrem letzten Besuch in diesen Vierteln, auch wenn sie immer in der Nähe geblieben war. Leise wehte ein Windhauch und spielte mit ihren Haaren, während ihr Blick umher wanderte. Es war so viel ruhiger geworden. Seufzend lenkte sie ihre Schritte in eines der Lokale, die sie schon häufiger aufgesucht hatte, wenn ihr nach Trinken war. Viel Trinken. Viel Alkoholisches. Ihre Peitsche hing locker an ihrer Hüfte, als sie hinein ging und nur kurz die Anwesenden musterte. Manche kannte sie, andere waren fremd. Mit ihrem typisch süffisanten Lächeln setzte sich Yolanda an die Bar, beugte sich vor uns tappte dem Barkeeper auf die Schulter.
    "Hey Schätzchen, das Übliche?"
    Er drehte sich um und schmunzelte.
    "Kommt sofort, Yolanda."


    Kurze Zeit später hatte sie ihren Whisky ohne Eis und kippte ihn direkt hinunter. Da das Spielchen schon bekannt war hier, folgte gleich der nächste. Erst beim dritten hielt sie etwas inne und spielte mit dem Glas. Irgendwie war sie noch beunruhigend nüchtern.

  • Es waren nicht viele Gäste, die hier ein- und ausgingen. Deutlich weniger als damals noch zu seiner Zeit. Doch der Betrieb in dieser Bar spiegelte nur das wider, was auch draußen in den Straßen passierte und was man wohl überall im Universum beobachten konnte. Es war erschreckend leer und einsam.


    Er war so sehr in die Nachrichten vertieft, die er auf dem großen Bildschirm gegenüber des Tresens verfolgte, dass ich lange Zeit nicht gemerkt hatte, wie jemand herein gekommen war. Kurz musterte er die Frau. Sie war eine Abenteurerin. Die einzige, die er bislang an diesem Ort gesehen hatte. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Hatten sie schon einmal miteinander zu tun gehabt? Er beobachtete, wie sie einen Whiskey nach dem anderen trank, ohne sich um ihr Umfeld zu kümmern. Kurz ging eine Augenbraue hoch, während er an seinem Tee nippte. Auf New Wacken hätten sogar die Metaller gesagt, dass sie es ein wenig zu schnell angeht, dachte er bei sich. Aber da sie weder von ihm noch von sonst jemandem Notiz zu nehmen schien oder irgendein Interesse zeigte, ließ er es dabei bewenden.


    Stattdessen wandte er sich erneut den Nachrichten zu. Vieles spielte sich eher in mittelalterlich anmutenden Welten ab, zu denen die letzten verbliebenen Abenteurer aufgebrochen waren. In einer der NAchrichtensendungen wurde ein Luftschiff erwähnt, in den anderen hörte er irgendwas mit "Orgien" und schüttelte darüber nur den Kopf, während er seinen Tee trank. Was er bislang wahrgenommen hatte, zeugte davon, dass die Abtenteurer es sogar in ihren Kampagnen verhältnismäßig ruhig angingen. Konnte ihm nur Recht sein... er war momentan auch kein großer Freund von übereiltem Handeln. Aber in gewisser Weise juckte es ihn in den Fingern, endlich wieder etwas zu unternehmen.


    "Na, Chef?", sprach ihn der Barkeeper schließlich wieder an. "Soll es nicht doch lieber was Stärkeres sein?"

    Er sah den Mann an, der ihn mit einer Mischung aus mitleidiger Anteilnahme und geschäftigem Interesse ansah. Der typische Gesichtsausdruck eines Gastronomen, den wichtigere Dinge beschäftigten, aber der sich wenigstens die Mühe gab, so zu tun, als sei er an den Geschichten seiner Gäste interessiert, solange sie nur genug zu trinken bestellten. Doch eine Frage brannte ihm tatsächlich auf der Zunge:


    "Irgendwas in letzter Zeit passiert, wovon Leute wie ich wissen sollten?"


    Ein skeptischer Seitenblick des Barkeepers. "Was genau meinen Sie?"


    "Ach, ich weiß auch nicht..." Er nippte wieder an seinem Tee. Langsam bekam dieser die richtige Temperatur. "Irgend jemand, der dringend Hilfe braucht, oder der Verstärkung für eine Gruppe sucht oder einen großen Plan in die Tat umsetzen will. Sowas in der Art."


    "Gibt nicht mehr viele von der Sorte", gab der Barkeeper nach kurzer Überlegung zu bedenken. "Aber ein paar dieser Abenteurer sind noch draußen unterwegs. Wenn die Kampagne nicht zu lange läuft, können Sie sich ja anschließen."


    "Das meinte ich nicht." Er verzog das Gesicht. "Außerdem, diese Fantasy-Zeiten mit Schwertern, Zauberern und Drachen, das ist bei mir vorbei."


    Der Barkeeper besah sich das Schwert am Gürtel seines Gastes, nickte nur diplomatisch und dachte sich seinen Teil. "Haben Sie vielleicht mal an einem Imagewechsel überlegt? Vielleicht wollen Sie mal eine andere Art von Abenteurer werden?"


    "Den Charakter wechseln?" Er runzelte die Stirn. "Geht das überhaupt? Ich meine, mich kennen die meisten wirklich nur in dieser Form..."


    "Ach wirklich?" Dieses Mal war der Sarkasmus des Barkeepers unverhohlen. "Wer denn?"


    Seine Miene verfinsterte sich. "Ich war mal der Imperator von New Wacken. Ich habe in großen Schlachten gekämpft, habe Leuten geholfen, habe sogar unterrichtet..."


    "War wohl lange vor meiner Zeit, Freund", entschuldigte sich der Barkeeper. "Aber wenn Sie ehrlich zu sich sind, wer erinnert sich überhaupt noch daran? Und wen würde es kümmern, wenn Sie jemand Anderes wären?"


    Der Punkt ging an ihn. "Was schlagen Sie vor?"


    Ein weiterer Gast - kein Abenteurer, sondern ein lokal Ansässiger - kam an den Tresen, um seine Rechnung zu bezahlen, und kurz widmete sich der Barkeeper seinen Geschäften. Nach einer Minute kam er wieder zurück, mit einer Visitenkarte. Er legte sie vor dem Gast auf den Tresen. "Versuchen Sie es mal dort. Wenn Sie selbst nicht wissen, was Sie mit sich anfangen sollen, dann hat er bestimmt ein paar gute Ansätze."


    Dann ging er wieder weg, um seiner Arbeit nachzugehen. Zurück blieb der Gast... ein alter Mann mit langen weißen Haaren, in schwarzer Kleidung, ein Schwert am Gürtel und eine Augenklappe über dem, was einmal sein linkes Auge gewesen war. Er warf einen Blick auf die Visitenkarte. PHILIPP ST. CALBERT, IMAGEBERATUNG & CHARAKTER-DESIGN stand darauf. Eine Adresse war auch dort zu finden. Es war nicht weit von hier, wie er feststellte, als er auf dem ausliegenden Stadtteilplan nachsah.


    Als er aufstand und den halben Credit für den Tee auf den Tisch lag, kam eine ältere Frau auf ihn zu. "Bitte, junger Mann, ich brauche Ihre Hilfe. In meinem Lagerraum zu Hause treiben sich Ratten..."


    "Rufen Sie dafür einen Kammerjäger, Lady!", gab er barsch zurück, als er aus der Bar hinausging. "Ich mache diesen Quatsch nicht mehr."